Church Night, Halloween oder Dia de los muertos: Jeder verbringt die letzte Oktobernacht anders. Ein Besuch bei zwei Festen, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Reformationstag, Allerheiligen, Allerseelen – der Übergang vom Oktober zum November ist die Zeit christlicher Feiertage. Gleichzeitig feiern Unzählige den „All Hallows’ Evening“, besser bekannt als Halloween. Der Abend, an dem Menschen in Gruselkostümen durch die Straßen ziehen, Kinder an Türen klingeln und „Süßes oder Saures“ rufen, wird von vielen als kommerzieller Unfug abgetan. „Halloween? Unterstützen wir nicht. Ich sehe keinen Zweck darin“, sagt der 14-jährige Simon, „viele feiern Halloween, obwohl sie nicht wissen, was das bedeutet.“ Er hat am Samstagabend mit seinen gleichaltrigen Freunden Lukas und Marco lieber die „Church Night“ in der Martinskirche in Möhringen besucht. „Das ist nicht uncool“, findet auch sein Kumpel Lukas.

 

Fingerfood und christliches Liedgut

Rund 100 000 Menschen haben nach Angaben des Evangelischen Jugendwerks Württemberg (EJW) am Samstagabend bundesweit bei einer „Church Night“ den Reformationstag gefeiert. „Wir wollen den Tag wieder mehr ins Bewusstsein rufen, als Alternative zu Halloween“, sagt Stefanie Weinmann, Jugendreferentin beim evangelischen Kirchenkreis Stuttgart. „Kirche kann auch cool sein“, findet die 32-jährige Sozial- und Religionspädagogin.

Spiele, Aktionsstationen, Fingerfood und nicht-alkoholische Cocktails haben sie und ihr Team vorbereitet. Die christliche Band „Lichtfabrik“ sorgt für ein bisschen Party. Alexander Alber aus Möhringen kommt jedes Jahr gerne her. Zum 9. Mal ist die Church Night in der Martinskirche. „Mir gefällt die Band, sie spielen fetzige Lieder. Es macht Spaß mitzusingen“, sagt der 22-Jährige. An den einzelnen Stationen, bei denen sich die rund 50 Besucher mit ihrem Bild von Gott auseinandersetzen sollen, genießt Alber die Ruhe und die Zeit mit sich.

Eine Botschaft des Reformationstages ist es, wie man mit Lebensangst umgeht oder der Angst vor dem Tod. Halloween greift dasselbe Thema spaßig auf – mit Gruseln und Verkleidung.

In den Wagenhallen dominiert das Skelett

Zwei Stunden später. In den Wagenhallen ist Karneval. Vorherrschendes Kostüm: Das Skelett. Davon knapp 800 an der Zahl. Bei der „Día de los Muertos“- Roadshow malen sich die Besucher Totenkopfmasken ins Gesicht, verziert mit aufgemalten Narben und blutunterlaufenen Gesichtern. Die Frauen tragen schwarze Hüte oder Blumenkränze auf dem Kopf – nach dem Vorbild der mexikanischen Skelettpuppe La Catrina, Symbolfigur für den „Dia de los muertos“. „Wir geben uns immer Mühe mit der Verkleidung“, sagt Veranstalter Thorsten Schwämmle. „Aber unsere Besucher sehen längst origineller aus.“ Ein bisschen Halloween auf mexikanisch? „Das hat damit wenig zu tun“, sagt Schwämmle, der seit fünf Jahren die Party in der Nacht zu Allerheiligen veranstaltet.

Jeder Grund zum Feiern ist recht

Man gedenkt der Toten, verkleidet sich und feiert ausgelassen. Die Band „Los Skeletteros“ spielt südamerikanische Punk- und Rockklassiker, eine Burlesque-Tänzerin tritt auf, reihum wird mexikanischer Schnaps ausgeschenkt. „Wir trinken, lachen und tanzen – mit den Toten zusammen“, erklärt Marisela Suarez de Poszosch aus Peru den Brauch.

Ob Reformationstag, Día de los Muertos – manche wollen nur Feiern, egal warum. Sowie Nelly Bühl: „Halloween ist für mich Leben genießen, in eine Rolle schlüpfen, die Sau raus lassen.“ Sie hat das Thema des Abends verfehlt. Sie ist Rotkäppchen, ihr Freund der böse Wolf. Dass sie nun mit ihrem Kostüm auffallen, ist ihr egal. „Halloween bedeutet für mich auch Mut zur Hässlichkeit“, sagt die 32-jährige Controllerin.