Bei den Regionalwahlen in Frankreich gab es keine Gewinner – Sozialisten, Republikaner und Anhänger des Front National sind gleichermaßen frustriert. Nun beginnt die Suche nach den Gründen und den Schuldigen.

Stuttgart - Wahlen bringen gewöhnlich Sieger und Verlierer hervor. Diese hier ist anders. Nur Verlierer hat es gegeben. Am Tag nach der zweiten Runde der französischen Regionalwahlen trifft man in den Parteiquartieren auf verkniffene Mienen. Die Konservativen haben sieben Regionen erobert, die Sozialisten fünf, die Rechtspopulisten keine – und alle sind sie am Montag hinter verschlossenen Türen zu Krisensitzungen zusammengekommen und blasen Trübsal.

 

Die rechtsbürgerliche Opposition der Republikaner unter Führung des Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy hat mit sieben Regionen zwar besser abgeschnitten als die Konkurrenz, aber was für ein Pyrrhussieg ist das gewesen! In drei Regionen war der Erfolg der Linken geschuldet. Um dem fremdenfeindlichen Front National (FN) den Weg zur Macht zu verstellen, hatten die Sozialisten im Norden und Südosten Frankreichs nicht mehr kandidiert und ihre Sympathisanten aufgerufen, für die Konservativen zu stimmen. In der Region Elsass, Champagne-Ardennes und Lothringen hatte sich der sozialistische Spitzenkandidat Jean-Pierre Masseret zwar über das Votum der Parteiführung hinweggesetzt und war angetreten, aber die Sympathisanten der Linken waren freilich auch dort der Empfehlung gefolgt, für den konservativen Bewerber zu stimmen.

Interne Konflikte brechen auf

Vor allem aber schmerzt die Republikaner, dass ihnen die Rechtspopulisten den Rang als bedeutendste Oppositionspartei streitig machen. Aus der ersten Runde der Regionalwahlen war der FN als stärkste politische Kraft des Landes hervorgegangen. In der zweiten hat er mit 6,8 Millionen Wählerstimmen einen neuen Rekord aufgestellt. Dabei hatte Sarkozy doch entschlossen nach rechts ausgegriffen, die klassischen Front-National-Themen Einwanderung, Flüchtlinge und Islam besetzt und wie die Rechtspopulisten Schutz versprochen. Die Wähler scheinen freilich das FN-Original der Republikaner-Kopie vorzuziehen. Und so sieht sich Sarkozy am Tag nach der Wahl ungewöhnlich deutlicher parteiinterner Kritik ausgesetzt. Am deutlichsten wird der wie Sarkozy eine Präsidentschaftskandidatur anstrebende Bruno Le Maire: Die Partei brauche nun „neue Gesichter“, sagt der 46-jährige, aufstrebende Ex-Minister für Landwirtschaft und Ernährung.

Auch bei den Sozialisten brechen angesichts des Wahlergebnisses interne Konflikte auf. So achtbar sie sich auch mit einem Sieg in fünf Regionen geschlagen haben – in der Wählergunst liegen sie abgeschlagen auf Rang drei. Sollte dies bei den Präsidentschaftswahlen 2017 Bestand haben, würden ein Konservativer, vermutlich Sarkozy oder Alain Juppé, sowie Marine Le Pen in die zweite Runde vordringen. Der ein zweites Mandat anstrebende Staatschef François Hollande hätte das Nachsehen. Und so melden sich am Montag die Parteirebellen vom linken Flügel zu Wort. Ihr Anführer, Christian Paul, ruft dazu auf, „mit der Vogel-Strauß-Politik Schluss zu machen und alles auf den Prüfstand zu stellen“.

Und die mit fast sieben Millionen Stimmen bedachte FN-Vorsitzende? Auch Marine Le Pen wirkt frustriert. Sie selbst ist in der als FN-Hochburg geltenden, von industriellem Niedergang gezeichneten Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie dem konservativen Ex-Minister Xavier Bertrand klar unterlegen. In den anderen Regionen ist es den FN-Kandidatinnen und -Kandidaten nicht besser ergangen. „Nichts wird uns aufhalten können“, ruft Marine Le Pen zwar enttäuschten Gefolgsleuten zu, aber die Politikerin, die in der französischen Parteienlandschaft ohne Verbündete dasteht, weiß auch, dass sie bis 2017 mehr als 50 Prozent der Wähler hinter sich bringen muss, soll aus dem erhofften Einzug in den Elysée-Palast etwas werden. Das Wahlergebnis hat sie zumindest nachhaltig daran erinnert.