Die Duale Hochschule Baden-Württemberg hat sich von den „staubigen Brüdern“ in der Hochschullandschaft zum Vorzeigemodell des dualen Studiums entwickelt. Ihr scheidender Präsident Reinhold Geilsdörfer schildert die Anfänge und die Zukunftsprojekte des Landes.

Stuttgart - Er war ein Mann der ersten Stunde und baute die anfangs äußerst skeptisch beäugte Berufsakademie mit auf. Inzwischen bilden die einstigen Berufsakademien als duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) mit 34 000 Studenten die größte Hochschule des Landes. Reinhold Geilsdörfer ist ihr erster förmlicher Präsident. Er erzählt die Erfolgsgeschichte.

 
Herr Geilsdörfer, als Präsident und als Rektor in Mosbach stehen Sie seit zehn Jahren an der Spitze der Dualen Hochschule und ihrer Vorläuferin der Berufsakademie. Was hat sich verändert?
Ich bin insgesamt knapp 35 Jahre dabei und durfte eine enorme Entwicklung miterleben. Wir haben in Mosbach 1980 mit 18 Studenten in gemieteten Räumen bei der Steyler Mission angefangen. Da standen sogar noch Betten drin. Wir konnten den Standort auf 4000 Studierende entwickeln. Ich habe verschiedene Positionen an der Berufsakademie durchlaufen. Ich war Studiengangleiter, 25 Jahre war ich stellvertretender Rektor, dann Rektor und habe mich riesig gefreut, als ich vor fünf Jahren zum Präsidenten der DHBW gewählt wurde. Für mich waren die letzten fünf Jahre an der Hochschule hoch spannend. Wir waren zunächst wenig akzeptiert, und wie ich gerne sage, die staubigen Brüder im Hochschulsystem. Durch die Umwandlung in die Hochschule (2009) hat sich das unwahrscheinlich schnell verändert. Heute haben wir uns in der Hochschullandschaft zu einer Benchmark entwickelt. Ich könnte momentan zweimal im Monat auf einer internationalen Konferenz auftreten, um das DHBW-Modell zu erläutern. Die ganze Welt will momentan mit Hilfe von mehr praxisorientierten Studiengängen die Employability (Beschäftigungsfähigkeit) verbessern.
Was hat sich verändert durch die Umwandlung in eine Hochschule?
Inhaltlich haben wir gar nicht so viel verändert, aber jetzt sind wir halt eine Hochschule. Unsere Berufsbezeichnungen sind jetzt akademische Grade, und wir sind hoffähig geworden. Das war für uns ein Quantensprung. Wir bekamen die besseren Abiturienten und wurden auch für Mitarbeiter attraktiver. Vor einigen Jahren noch hat eine Absolventin von uns in Hessen eine Stelle in der Verwaltung nicht bekommen, weil man dort der Auffassung war, sie habe nicht studiert. Solche Einzelfälle haben uns unwahrscheinlich Image gekostet. Ohne die Umwandlung zur Hochschule wären wir heute tatsächlich nicht mehr wettbewerbsfähig.
Hat das auch die Attraktivität gesteigert?
Wir sind in den vergangenen Jahren im Schnitt um jährlich sieben Prozent gewachsen. Nach der Umwandlung zur Hochschule gab es einen gigantischen Boom. In den vergangenen sechs Jahren haben wir unsere Zahlen verdoppelt.
Wie läuft die Zusammenführung der neun Standorte zu einer Hochschule?
Da haben wir noch einen langen Weg vor uns. Die Austarierung der Verantwortlichkeiten im State University System ist eine Gratwanderung. Auch im Bereich der Corporate Identity und des Zusammenwachsens zu einer Hochschule haben wir sicher noch Handlungsbedarf. Insgesamt überwiegen jedoch die Vorteile des Systems. Wir haben jetzt eine ganz andere Bedeutung. Wir sind mit 34 000 Studierenden die größte Hochschule Baden-Württembergs. Eine einzelne Studienakademie mit beispielsweise 2000 Studierenden würde doch international gar nicht wahrgenommen. Auch politisch hätten wir längst nicht das Gewicht.
Gibt es Grenzen des Wachstums?
Wir haben eine weiter steigende Nachfrage. Was die Nachfrage der Unternehmen betrifft, könnten wir sicher weiter in der Größenordnung sieben Prozent wachsen. In den Gesundheitswissenschaften haben wir ein Wachstumsfeld von einigen Tausend Studierenden. Aber natürlich ist der demografische Wandel spürbar, die Anzahl der Bewerbungen wird zurückgehen. Wir wissen, dass wir bei den Studienbewerbern sehr viel stärker internationalisieren müssen. Das kommt bei den Unternehmen sehr gut an, denn fast alle sind global aufgestellt und wollen interkulturell besetzte Teams. Wir wollen daher unsere internationalen Kontakte ausbauen und zunehmend auch Migranten gewinnen.