Was soll Ihre Musikhochschule leisten?
Mir ist ganz wichtig, dass eine Hochschule nicht nur ein Ausbildungsort ist, sondern dass wir auch als Veranstalter auftreten. Und dann müssen wir uns darüber verständigen, was wir hier tun. Ich persönlich glaube nicht an ein verbindliches ästhetisches Ideal, aber wir sollten uns dazu verpflichten, über Ideale zu diskutieren. Die Stuttgarter Hochschule plant 2016 einen Kongress zur Gegenwartskunst mit dem Arbeitstitel „Wirklich“. Sie kennen vielleicht den Begriff „unsere breite Gegenwart“ von Hans Ulrich Gumbrecht. Steckt hinter diesem Verständnis von Gegenwart eine Beliebigkeit – alles so schön bunt hier und wir leisten dazu einen Beitrag? Oder gibt es eine Reflexion, auf der unsere tägliche Arbeit aufbauen kann? Das ist eine Frage, die man hier in der Stadt auch mit Kollegen von anderen Hochschulen gut diskutieren kann.
Das ist die große Linie. Sie haben hier aber auch mit Kleinklein zu tun. Etwa die Querelen im Herbst 2013 bei der Errichtung einer halben Professorenstelle für Chorleitung. Sind Sie letztlich nicht froh, dass der Bachakademiechef Hans-Christoph Rademann seine Kandidatur zurückgezogen hat?
Nein, froh kann niemand sein in dieser Angelegenheit. Aber wenn ein Plan A nicht klappt, dann muss man sich dem Plan B zuwenden. In der Vergangenheit gab es eine Zusammenarbeit mit der Bachakademie und die wird es auch künftig gegen.
Sie rüsten personell auf und haben einige neue Professoren berufen. Können Sie zunächst etwas zur Abteilung Gesang sagen?
Die Gesangsabteilung, die zur Fakultät Darstellende Kunst gehört, ist grundsätzlich eine starke Abteilung: unter anderem durch die Opernschule im Haus und das Opernstudio in Kooperation mit der Staatsoper. Aber wir wollen und müssen auch die Spezialisierungen vorantreiben, weswegen Georg Nigl mit seinen Schwerpunkten in der Alten Musik und der Avantgarde sehr gut zu uns passt. Grundsätzlich wollen wir die Studierenden so ausbilden, dass sie in spezialisierten Bereichen arbeiten können. Jedes Theater macht heute eine Händel-Oper und eine Uraufführung – die Frage ist nicht mehr dass, sondern wie so etwas realisiert wird. Ich möchte „glaubwürdige“ Professoren, die von der Bühne der Stuttgarter Oper rüberkommen und Lernenden sagen und zeigen: so geht es da drüben zu. So einer ist Georg Nigl.
Kerstin Kipp wird Professorin für Sprechwissenschaft. Wozu braucht man das Fach und was fängt man praktisch damit an?
Bundesweit bieten wir als einzige den eigenständigen Studiengang Sprecherziehung und Sprechkunst an einer Kunsthochschule an. Die Sprechwissenschaft bietet die wissenschaftliche Grundlage etwa für Sprechpädagogik und Rhetorik, die in unserer aufmerksamkeitsorientierten Gesellschaft sehr wichtig ist. Auch Musiker profitieren davon, denn wer sich gut und gezielt artikuliert, hat größere Chancen, sich auf dem dem umkämpften Musikmarkt behaupten zu können.
Warum hat man sich für Martin Schüttler im Fach Komposition entschieden?
Martin Schüttler ist ein hoch interessanter Komponist der jüngeren Generation, intellektuell und mit unheimlicher Spiellust, er ist ja auch Performer. Wir haben hier Markus Stroppa, international renommiert im Bereich elektronischer Musik: Zu ihm wollten wir einen Gegenpol haben. Beide sollen sich für die Arbeit des jeweils anderen interessieren. Ich möchte keine zwei Komponisten haben, die nicht miteinander reden, sondern die gemeinsam ausbilden.