Der Renninger Bürgermeister Wolfgang Faißt möchte der Nachfolger von Johannes Fuchs werden – und unabhängig davon auch noch der Landesvorsitzende der Freien Wähler.

Rems-Murr-Kreis - Hinter vorgehaltener Hand haben die Freien Wähler schon ein Weilchen damit kokettiert, bei der Landratswahl am 11. Mai einen eigenen, höchst aussichtsreichen Kandidaten ins Rennen schicken zu wollen. Am Donnerstag hat dann der Renninger Bürgermeister Wolfgang Faißt seine Kandidatur erklärt – als erster Bewerber überhaupt. Ja, dies sei jener veritable Mann, dem seine Fraktion das Vertrauen schenken wolle, bestätigte der Winterbacher Bürgermeister und Fraktionssprecher Albrecht Ulrich. Mehr nicht: „Wir haben verabredet, dass allein der Kandidat mit der Presse sprechen soll.“

 

Auch als Vorsitzender der Freien Wähler überparteilich

Er sei vor Weihnachten angesprochen worden, sagt der 52-jährige dreifache Vater Faißt, der unabhängig von seiner Landrats-Kandidatur am 25. April auch als Landesvorsitzender der Freien Wähler antreten will. „Wir wollen das Profil des Landesverbandes wieder stärken“, erklärt er dazu.

Als Landrat wolle er dennoch überparteilich und neutral agieren. Lange habe er sich diesen Schritt überlegt. „Mir würde es schwer fallen, Renningen zu verlassen“, sagt er. Nun will er es also wissen. „Das Amt des Landrats bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten“, sagt Faißt. Das konnte er als Kreisrat in Böblingen zehn Jahre mitverfolgen, wo er auch Mitglied einer Sparkommission ist. Mit 52 Jahren könnte Faißt noch zwei volle Amtsperioden absolvieren.

Die Gemengelage im Rems-Murr-Kreis scheint ähnlich wie in Böblingen. In Winnenden wurde bereits ein Zentralklinikum gebaut, in Böblingen wird zurzeit genau darüber ebenfalls diskutiert. Und wie zwischen Backnang und dem Remstal verlaufen zwischen Böblingen und dem ehemaligen Kreis Leonberg tiefe Gräben. „Ich möchte hier wieder Brücken bauen“, verspricht Faißt. Er verweist auf die Haushaltskonsolidierung der 17 000-Einwohner-Stadt Renningen, die schuldenfrei ist. Mit diesen Argumenten hat er die örtlichen Freien Wähler überzeugt, bei denen sich mehrere Kandidaten vorgestellt haben sollen.

Noch gilt ein anderer als Favorit

Wie sind Faißts Chancen? Offiziell hat außer ihm noch niemand den Hut in den Ring geworfen. Allerdings gilt der Gmünder Erste Bürgermeister Joachim Bläse (CDU) als ein Favorit. Nachdem Spekulationen öffentlich wurden, hatte er erklärt, er sondiere noch. Bläses Vorteil könnte sein, dass er während der Landesgartenschau im vergangenen Jahr viele Kontakte mit den Remstal-Bürgermeistern aufgebaut hat – andererseits gibt es auch traditionell Rivalitäten zwischen den beiden Nachbarlandkreisen. Offenbar erwägt auch Richard Sigel, ehemals Ordnungsdezernent im Waiblinger Landratsamt und inzwischen Kreiskämmerer in Böblingen, eine Bewerbung.

In Renningen hat Wolfgang Faißt die Gemeinderäte vorab informiert. „Ich wünsche ihm alles Gute“, sagt der Vize-Bürgermeister Marcus Schautt (FWV), „für die Stadt wäre es mir natürlich lieber, wenn er uns erhalten bliebe.“

Fraktionschefs äußern sich zurückhaltend

Doch für einen Wechsel muss Faißt zunächst die Werbetrommel rühren. Am Donnerstag hat er den Kreistag-Fraktionssprechern seine Bewerbung zukommen lassen und am selben Tag bereits erste Gespräche geführt. Eine tiefer gehende Bewertung will freilich noch keiner abgeben. „Ein Kollege wie viele andere auch“, urteilt auf Nachfrage der Althüttener Bürgermeister und CDU-Chef Reinhold Sczuka, „auf den ersten Eindruck kein Übermensch, aber auch keiner, der sein Amt nicht im Griff hat.“

Sczuka hatte, wie berichtet, einen Tag zuvor seine eigenen Ambitionen zurückgestellt, nachdem ihm von seinen Parteikollegen signalisiert worden war, dass diese einen Kandidaten von Außen bevorzugen. Festgelegt habe sich die mit Abstand stärkste Fraktion noch auf keinen der bisher ins Gespräch gebrachten Namen, betont Sczuka – auch nicht auf den einzigen mit CDU-Parteibuch, Joachim Bläse. Vielleicht ergebe sich nach dem 23. Februar ein klareres Bild, an diesem Tag laden alle Fraktionen gemeinsam potenzielle Kandidaten zu einer Art Speed-Dating ein.

Dort will auch Martin Kaufmann, der Fraktionsvorsitzende der SPD, allen Bewerbern genauer auf den Zahn fühlen. Einen „eigenen“ Kandidaten werde die SPD nicht aufstellen. „Entscheidend ist die Person, nicht die Partei“, sagt Kaufmann, auch einen Fraktionszwang werde es bei der Wahl nicht geben.

Ähnlich sieht das Ulrich Lenk (FDP). Am liebsten wäre ihm, wenn man sich interfraktionell mit einer breiten Mehrheit auf einen Kandidaten einigen könnte. Die Auswahl sei bereits ordentlich, mit Wolfgang Faißt der dritte ernst zu nehmende Kandidat im Rennen. Was er über Faißt gelesen habe, klinge nicht schlecht, sagt Lenk, ohne sich festlegen zu wollen. „Er hat ein paar Semester Theologie studiert, ein bisschen beten wäre in unserer Krankenhaussituation vielleicht gar nicht so verkehrt.“

Die Landratswahl

Termine
Der Nachfolger von Johannes Fuchs soll am 11. Mai gewählt werden. Am kommenden Freitag beginnt die Ausschreibung, am 23. März entscheidet der Wahlausschuss, welche Kandidaten dem Innenministerium gemeldet werden, das deren Wählbarkeit und Eignung prüft. Die Entscheidung fällt das 88-köpfige Kreistagsgremium in geheimer Wahl.

Mehrheitsverhältnisse
Mit 28 Sitzen ist die CDU die stärkste Fraktion im Rems-Murr-Kreistag, gefolgt von der SPD mit 16 Sitzen. Dicht dahinter folgen die Freien Wähler (15 Sitze) und die Grünen (12 Sitze). Die Fraktionsgemeinschaft FDP/Freie Wähler hat zehn Sitze, die Alternative für Deutschland (AfD) vier, die Linke zwei und die ÖDP einen Sitz.