Fünf kreisrunde, turmartige Zimmer bilden den neuen Waldorfkindergarten, der nun in Backnang gebaut wird. Der Entwurf stammt von dem preisgekrönten ungarischen Architekten Imre Makovecz.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Alle schwärmen bereits heute vom neuen Waldorfkindergarten – dabei beginnen die Bauarbeiten in der Hohenheimer Straße in Backnang erst am Dienstag. Der Backnanger Bürgermeister Michael Balzer sagt, der vor zwei Jahren verstorbene Architekt Imre Makovecz, der den Bau konzipiert hat, erfülle „die Welt der Architektur mit Bewunderung“. Der Neubau, der knapp zwei Millionen Euro kosten und im September 2014 bezugsbereit sein soll, werde „in Backnang Strahlkraft entwickeln“. Tanja Detjen-Kurrle, eine Erzieherin des Waldorfkindergartens, rechnet fest damit, dass schon bald nach der Inbetriebnahme viele Neugierige kommen und gucken werden.

 

Makovecz hat in erster Linie in Ungarn viele öffentliche Gebäude entworfen, vorwiegend Kirchen und Kulturzentren, aber auch Privathäuser. Zu seinen bekanntesten Werken gehört der ungarische Pavillon auf der Expo 1992 in Sevilla. Der Architekt hat den Baustoff Holz bevorzugt, seine Bauweise bezeichnete er als „organisch“. Er hat einmal gesagt, dass seine Architektur keine Geometrie kenne. Das organische Gebäude wolle „ ein Lebewesen sein“, Modell stehe immer die Lebenswelt. Markovecz wurde für seine märchenhaften Entwürfe mehrfach ausgezeichnet, er war Mitglied der internationalen Bauingenieurakademie und Präsident der Ungarischen Kunstakademie. Die französische Bauingenieur-Akademie hat ihm die Goldmedaille verleihen. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ bezeichnete Makovecz’ Stil als „Architektur der Freiheit“, die an die Gotik erinnere.

Eine „Architektur der Freiheit“

Wie nur ist es dem kleinen Trägerverein des Backnanger Waldorfkindergartens gelungen, so einen prominenten Architekten für das Bauprojekt in der schwäbischen Provinz zu begeistern? Ganz einfach, sagt die Erzieherin: Der Vater eines Kindergartenkinds habe Makovecz gekannt und angesprochen. Der Architekt hatte ein Faible für die Anthroposophie und deren Begründer Rudolf Steiner – und deshalb sofort Interesse am Bau des Waldorfkindergartens. Tanja Detjen-Kurrle hat mit einer Delegation aus Backnang Imre Makovecz im Frühjahr 2011 in Ungarn besucht – kurz vor seinem Tod. Er habe „oft aus dem Bauch heraus entscheiden“, erzählt die Erzieherin. Noch vor Ort habe er sofort eine Handzeichnung angefertigt.

Nach dem Tod des Architekten wurde das Backnanger Bauwerk von Makovecz’ Schüler und Mitarbeiter Tamás Dobrosi fortgeführt. Die Realisierung übernimmt nun der aus Ungarn stammende Stuttgarter Architekt Alajos Vonnak, erzählt Birger Laing, ein freiberuflich tätiger Fundraiser, der vom Kindergarten angeheuert worden ist, um in den kommenden Jahren den Eigenanteil des Trägervereins an den Baukosten einzusammeln – immerhin rund 350 000 Euro. Dieser Betrag sei zunächst als Darlehen aufgenommen worden, berichtet das Vorstandsmitglied Daniela Renz-Foron. Dieser Kredit solle aber so schnell wie möglich abgelöst werden. Der ehrgeizige Bauzeitplan sieht vor, dass der Grundstein Ende September gelegt wird, im September 2014, pünktlich zum Beginn des Schulunterrichts, soll der neue Kindergarten mit den fünf kreisrunden, turmartigen Zimmern bezogen werden. Künftig soll es nicht nur Plätze für ältere Kinder geben, sondern auch eine Krippe.

Ein Gefühl von Geborgenheit

Die Erzieherin Detjen-Kurrle erwartet, dass der Neubau auf die kleinen und großen Besucher ähnlich wirkt, wie sie das Büro des Meisterarchitekten in Budapest erlebt hat. Beim Besuch habe sie sich im Nu „aufgenommen“ gefühlt. „Wir waren sofort willkommen und drinnen.“ Die Atmosphäre der Räume soll den Kindern Geborgenheit vermitteln, sie sollen Kontinuität, Überschaubarkeit und Sicherheit erfahren, wünschen sich die Mitglieder des Trägervereins. Der Neubau mit der „Haus-in-Haus-Architektur“ habe Dorfcharakter.

Gut möglich also, dass von September kommenden Jahres an nicht nur Architekten nach Backnang in die Hohenheimer Straße pilgern, sondern auch Anthroposophen aus allen Ecken der Republik.