Der Kreis will organische Abfälle energetisch verwerten. Doch noch ist unklar, ob sich dafür ein Anbieter findet. Denn in der Ausschreibung sind die Risiken einseitig verteilt.

Remseck - So heftig kann die Gerüchteküche brodeln, zumal noch in einem Bürgermeisterwahlkampf. In „geheimer Mission“ werde im Remsecker Gewerbegebiet Schießtal „ein 25 Meter hoher Müllverbrennungsturm“ geplant, schrieb uns eine alarmierte Leserin. Die Folge seien 250 Lastwagen pro Tag, die Remseck-Hochberg, Ludwigsburg-Poppenweiler und die Neckarbrücke belasteten. Fakt ist: diese Gerüchte sind unzutreffend.

 

Auslöser für die Unruhe, die im Remsecker OB-Wahlkampf beide Kandidaten umtrieb, ist ein ganz anderes, wesentlich kleineres Vorhaben. Die Gesellschaft für Wertstoffverwertung (GWV) mit Sitz im Schießtal will sich an einer Ausschreibung der Kreis-Abfallverwertung AVL beteiligen. Wenn sie den Zuschlag erhält, dann wird es im Schießtal auf einem Areal von rund zwei Hektar die erste Vergärungsanlage für Biomüll im Landkreis geben. „Wir haben eine Zusage von der Stadt für ein Grundstück“, bestätigt der GWV-Geschäftsführer Peter Schaible.

Es dreht sich um 20 Lastwagen täglich

Es drohe keinesfalls eine explosionsartige Zunahme des Lastwagenverkehrs im Gewerbegebiet, versichert Schaible. Es gehe vielmehr um etwa 20 Lastwagen. Schon jetzt werde sein Betrieb täglich im Schnitt von etwa 350 Lastwagen angefahren. Zu den technischen Details des GWV-Angebots schweigt Schaible. Allerdings sagt der Geschäftsführer, dass der Geruch einer solchen, modernen Vergärungsanlage „keine große zusätzliche Belastung“ darstelle. Die Ausschreibung der AVL ist geheim. Allerdings werden auch die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen als Interessent gehandelt.

Von 2018 an will die Kreistochter AVL den Biomüll der rund 150 000 Haushalte im Kreis Ludwigsburg doppelt energetisch nutzen. So wie in Backnang (Rems-Murr-Kreis) soll die Biomasse vergoren werden, sodass einerseits Humuserde, andererseits Energie entsteht, die in Form von Strom und Wärme genutzt werden kann. In Backnang wird beispielsweise die Abwärme der Biogasturbine für die Trocknung des Schlamms im unweit gelegenen Klärwerk genutzt. Der AVL-Aufsichtsrat und Mitglieder des Remsecker Gemeinderats haben die Anlage in Backnang bereits besichtigt. Das Fazit des AVL-Geschäftsführers und Vizelandrats Utz Remlinger: „Man riecht dort eigentlich nichts.“

AVL muss nicht unbedingt der Betreiber sein

Nötig geworden ist die Ausschreibung, nachdem die AVL zunächst selbst die Vergärungsanlage bauen wollte. Es gab aber Probleme bei der Standortsuche, zudem seien bei näherer Betrachtung zahlreiche Risiken aufgetaucht. „Wir kamen zu dem Schluss, dass die AVL nicht unbedingt der Betreiber sein muss“, sagt Remlinger. So sei es etwa schwierig, die flüssigen Überbleibsel des Gärprozesses loszuwerden. Grundsätzlich seien sie als Dünger geeignet, allein: es gebe zurzeit viel Angebot und kaum Nachfrage. „Da muss man teilweise erheblich draufzahlen.“

Mit der Vergabe (die Ausschreibungsfrist endet am kommenden Montag) will die AVL praktisch sämtliche Risiken den privaten Bewerbern aufbürden. Genau dieser Punkt ist aber ein Risiko für die Ausschreibung selbst. Aufgrund der hohen Investitionssumme (geschätzte 15 Millionen Euro) ist wirtschaftlich gesehen eine lange Abschreibung nötig. Doch der Vertrag mit der AVL läuft nur zwölf Jahre. Insider halten es deshalb für möglich, dass letztlich gar kein Angebot bei der AVL landet.

28000 Tonnen pro Jahr sollen verarbeitet werden

Verarbeitet werden sollen laut Ausschreibungstext im Bundesanzeiger 28 000 Tonnen pro Jahr. Doch die Bürger im Kreis liefern zurzeit nur knapp 23 000 Tonnen Biomüll ab. Sollte das trotz der Bemühungen der AVL so bleiben, dann müsste der Betreiber sich die restlichen Mengen auf dem Müllmarkt besorgen. Ein weiteres Kostenrisiko wäre das Thema Störstoffe. Sollten die Bürger künftig wesentlich mehr Plastik in ihre Biotonne werfen, dann obliegt es laut Ausschreibung dem Betreiber, dieses zu beseitigen. Hinzu kommen sinkende Vergütungen für die Einspeisung erneuerbarer Energien und eine höhere EEG-Umlage.

Insofern ist es für Fachleute durchaus überraschend, dass es in Gestalt der Stadtwerke Bietigheim-Bissingen überhaupt noch einen zweiten Interessenten für die Ausschreibung gibt. Die Tochter der Stadt Bietigheim-Bissingen könnte die Abwärme einer Vergärungsanlage in ihr kommunales Fernwärmenetz einspeisen.

„Wir erwägen, ein Angebot einzureichen“, bestätigt Rainer Kübler, der Geschäftsführer der Stadtwerke in Bietigheim. Ganz so einfach wie es klinge, sei die Einspeisung der Abwärme in das Stadtwerkenetz aber nicht. Deshalb sei noch immer unklar, ob man sich tatsächlich am Wettbewerb beteiligen wolle, sagt Rainer Kübler.