Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Im Grunde handelt es sich um eine Männerrente – die Frauen haben naturgemäß das Nachsehen?
Richtig ist: Gegenwärtig ist der Anteil der Frauen mit 45 Versicherungsjahren in Westdeutschland relativ gering – im Osten sieht das schon anders aus. In Zukunft wird sich das verändern, weil Frauen immer früher ins Berufsleben eintreten und geschlossenere Erwerbsbiografien vorweisen werden. Vorausgesetzt, der Trend zur Diskriminierung bei Einkommen und Arbeitsplatzsicherheit wird gestoppt. Denn der benachteiligt vor allem Frauen. Wichtig ist aber auch: Ein Modell flexibler Übergänge, das seinen Namen verdient, muss verschiedene Ausstiegsmöglichkeiten bieten. Die Wirklichkeit in den Betrieben ist zu unterschiedlich, um mit einer Rentenart alle Bedarfe zu decken. Nicht jede Möglichkeit passt für jeden, aber für jeden muss eine passende dabei sein.
Was sagen die jungen IG-Metall-Mitglieder dazu, deren Renten wegen der Neuregelung weniger steigen werden, und die selbst nie ein solch gutes Versorgungsniveau erreichen werden?
Unsere große Beschäftigtenbefragung vor einem Jahr hat gezeigt, dass die Zustimmung zur Rente nach 45 Versicherungsjahren generell sehr hoch ist – bei den jungen Kollegen sogar noch ein wenig höher als bei den älteren. Verbunden ist dies allerdings mit der Erwartung, für eine stabile Rentenversicherung zu sorgen. Deswegen wird die IG Metall die Entwicklung des Rentenniveaus als das nächste Schwerpunktthema auf die sozialpolitische Agenda setzen. Nach 45 Versicherungsjahren mit durchschnittlichen Beiträgen beträgt die Brutto-Rente heute in den alten Bundesländern 1287 Euro und in den neuen Ländern 1187 Euro. Bei diesen Fakten ist doch offensichtlich, dass die geplante Absenkung des Rentenniveaus falsch und nicht hinnehmbar ist.
Befürchten Sie nicht, dass mit jeder neuen monatlichen Auswertung zur Rente mit 63 Entrüstung losbricht, was dann zu Lasten weiterer Gewerkschaftsprojekte geht?
Es kann schon sein, dass aus durchsichtigen Motiven immer wieder eine neue Kampagne entfacht werden soll. Aber das wird sich irgendwann erschöpfen, weil die Zahlen keinen objektiven Anlass für Katastrophenszenarien bieten. Den Mehrkosten stehen ja auch Entlastungen der Rentenkasse gegenüber, weil diejenigen, die früher gehen, zwei Jahre weniger Beiträge zahlen und deshalb weniger Anwartschaft haben. Wir sehen dem Ganzen gelassen entgegen. Der Ausstieg ohne Abschläge nach 45 Versicherungsjahren hat in der Bevölkerung eine riesengroße Zustimmung. Und das aus gutem Grund.