„Meine Heimat ist zerstört und nicht mehr sicher. Ich habe alles zurückgelassen: mein Haus, meine Kleidung, meine Freunde, meine Familie“, sagt die 25-jährige Syrerin Wafaa Bukai. Während viele andere Flüchtlinge aus Platzgründen ihre Fotos nur auf Handys gesichert haben, sitzt die Studentin aus Damaskus abends gerne da und blättert durch Schnappschüsse von einer besseren Zeit - Familienausflüge zum Strand, alte Schulfotos.

 

Ihr wichtigstes Mitbringsel auf der langen Reise ist aber eine kleine, unscheinbare Muschel, die sie als Jugendliche auf einem Markt im Herzen von Damaskus gekauft hat. „Ich erinnere mich damit an Damaskus, in jeder Stadt, in die ich gehe“, sagt sie.

Mohammed al-Abadallah aus Bagdad ist gemeinsam mit seinem 17-jährigen Sohn Baschar seit drei Wochen unterwegs. Die Route führte ihn durch Territorium der Terrormiliz Islamischer Staat, quer durch die Türkei bis nach Griechenland und nun schließlich Ungarn. Ohne seinen Koran hätte er das niemals geschafft, sagt der 36-jährige Ingenieur. „Ich bete fünf mal pro Tag. Ich lese im Mondschein.“

Aus seinem Rucksack zieht Al-Abdallah seine kleine Ausgabe des heiligen Buches hervor. Es ist zerfleddert, die Seiten sind zerknittert und gewellt von nächtlichen Regengüssen. Behutsam öffnet der Iraker das Buch, um seine Lieblingssure zu rezitieren. Sein Sohn Baschar macht sich lustig, viel zu langsam sei sein Vater mit dem alten Buch. Er geht auf die Koran-App seines Smartphones und findet die Passage binnen Sekunden. „Meine Seiten reißen nie“, sagt er.