Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Er wohnt in München auf 20 Quadratmetern, und selbst als er beim weithin anerkannten Restaurator Markus Haubs in München-Sendling zu arbeiten anfängt, bleibt er dort wohnen. Halb aus Neigung, denn die Pinakotheken stehen gleich hinterm Haus, halb aus Notwendigkeit: etwas mehr als 3000 Euro brutto beträgt der Monatslohn. Viel geändert hat sich innerhalb der Branche nicht. Es gibt nur vier Studienorte – Köln, Hildesheim, Potsdam und München – und wenige Studenten, nicht mehr als ein Dutzend zu Semesterbeginn. Wer Glück hat und die Atmosphäre mag, gelangt ans Museum. Die Plätze sind rar. Restauratoren wechseln selten in einen anderen Beruf. Aber Johann Moritz Dill möchte seine eigene Werkstatt. Er geht zurück nach Stuttgart, seine Frau ist Sinologin, heute sind die beiden gemeinsamen Kinder vier und ein Jahr alt.

 

Dill ist ein Holzmann, „weil die Möglichkeiten des Materials unbegrenzt sind“, selbst Brüche könne man heilen, sagt er – in diesem Moment tatsächlich wie ein Arzt, der die Vorzüge einer neuen Herzklappe erklärt –, und wenn ein Möbelstück gearbeitet worden ist, ohne dass ein Nagel verwendet wurde, beginnt sein Interesse wirklich aufzukeimen. Dann geht er – für Auktionshäuser und Museen, aber natürlich auch für Privatkunden – erst einmal in die akkurate Analyse, an der das Auge, chemische Verfahren, aber auch ein Mikroskop beteiligt sind. Dies, wie alles Folgende, ist eine Geduldsarbeit höchster Ordnung.

Als der anfangs erwähnte Dresdner Hallenschrank angeliefert wurde, ein Familienerbstück, das es irgendwie, also jämmerlich ramponiert, durch die Jahrhunderte geschafft hatte, hat Johann Moritz Dill sofort gesehen, dass er es mit einem gleichermaßen hochinteressanten wie problematischen Fall zu tun hatte. Um dem Schwergewicht Standfestigkeit verleihen zu können, hatten Generationen von Spediteuren oder selbst ernannten Schreinern sich etwas einfallen lassen: mit Billigfarbe überstrichen, eine Zigarettenkiste als Stütze einmontiert oder „auf roheste Art“ (Dill) Nägel in den Corpus geklopft. Es ist dann im Übrigen nicht mit rausziehen getan, denn Verletzungen, da gleicht das Holz wieder dem Menschen, wollen behandelt und gepflegt, ja, wenn man so will, verbunden werden.

Es kann nicht jeder mit jedem kommen

Schließlich heilt die Historie und allmählich, in einem Prozess, der sich über Wochen und Monate erstrecken kann, entsteht durch sanften Druck, Injektionen und vor allem einen übergeordneten Gesundungsplan wieder etwas, das dem Original nahe kommt. Wenn es gut geht. Und Johann Moritz Dill, so viel kann man wohl auch als Laie sagen, nimmt es damit sehr, sehr genau.

Über Qualität lässt er nicht mit sich reden. Höchstens, dass er bei Abrechnung in einem besonderen Fall auch mal eine Arbeitsstunde unter die Bank fallen lässt: als kürzlich ein interessierter, vergleichsweise junger Mann einen im Internet unfassbar billig ersteigerten Reisesekretär aus dem 17. Jahrhundert vorbeibrachte, dem man auch auf den zweiten Blick seine ehemals noble Herkunft nun wirklich nicht mehr ansah, fühlte sich Dill auch ein bisschen in der Pflicht, die Sache finanziell im Rahmen zu halten. Grundsätzlich geht er nur an, was er für „restauratorisch-moralisch“ vertretbar hält; es kann also auch nicht jeder mit jedem kommen.

Man wird, vielleicht sollte man das schon an dieser Stelle erwähnen, als Restaurator und Konservator (was Dill dann vier Jahre lang am Goering Institut in München studiert) nicht unbedingt mit Reichtümern überhäuft, zumal der Beruf, im Gegensatz zum Schreinerhandwerk, noch nicht mal geschützt ist. Restaurator kann sich, wie ja Journalist auch, jeder nennen, was der Scharlatanerie selbstredend Tür und Tor öffnet. Dill aber ist staatlich geprüft, und er hat im Studium alles gegeben.

Geduldsarbeit höchster Ordnung

Er wohnt in München auf 20 Quadratmetern, und selbst als er beim weithin anerkannten Restaurator Markus Haubs in München-Sendling zu arbeiten anfängt, bleibt er dort wohnen. Halb aus Neigung, denn die Pinakotheken stehen gleich hinterm Haus, halb aus Notwendigkeit: etwas mehr als 3000 Euro brutto beträgt der Monatslohn. Viel geändert hat sich innerhalb der Branche nicht. Es gibt nur vier Studienorte – Köln, Hildesheim, Potsdam und München – und wenige Studenten, nicht mehr als ein Dutzend zu Semesterbeginn. Wer Glück hat und die Atmosphäre mag, gelangt ans Museum. Die Plätze sind rar. Restauratoren wechseln selten in einen anderen Beruf. Aber Johann Moritz Dill möchte seine eigene Werkstatt. Er geht zurück nach Stuttgart, seine Frau ist Sinologin, heute sind die beiden gemeinsamen Kinder vier und ein Jahr alt.

Dill ist ein Holzmann, „weil die Möglichkeiten des Materials unbegrenzt sind“, selbst Brüche könne man heilen, sagt er – in diesem Moment tatsächlich wie ein Arzt, der die Vorzüge einer neuen Herzklappe erklärt –, und wenn ein Möbelstück gearbeitet worden ist, ohne dass ein Nagel verwendet wurde, beginnt sein Interesse wirklich aufzukeimen. Dann geht er – für Auktionshäuser und Museen, aber natürlich auch für Privatkunden – erst einmal in die akkurate Analyse, an der das Auge, chemische Verfahren, aber auch ein Mikroskop beteiligt sind. Dies, wie alles Folgende, ist eine Geduldsarbeit höchster Ordnung.

Als der anfangs erwähnte Dresdner Hallenschrank angeliefert wurde, ein Familienerbstück, das es irgendwie, also jämmerlich ramponiert, durch die Jahrhunderte geschafft hatte, hat Johann Moritz Dill sofort gesehen, dass er es mit einem gleichermaßen hochinteressanten wie problematischen Fall zu tun hatte. Um dem Schwergewicht Standfestigkeit verleihen zu können, hatten Generationen von Spediteuren oder selbst ernannten Schreinern sich etwas einfallen lassen: mit Billigfarbe überstrichen, eine Zigarettenkiste als Stütze einmontiert oder „auf roheste Art“ (Dill) Nägel in den Corpus geklopft. Es ist dann im Übrigen nicht mit rausziehen getan, denn Verletzungen, da gleicht das Holz wieder dem Menschen, wollen behandelt und gepflegt, ja, wenn man so will, verbunden werden.

Es kann nicht jeder mit jedem kommen

Schließlich heilt die Historie und allmählich, in einem Prozess, der sich über Wochen und Monate erstrecken kann, entsteht durch sanften Druck, Injektionen und vor allem einen übergeordneten Gesundungsplan wieder etwas, das dem Original nahe kommt. Wenn es gut geht. Und Johann Moritz Dill, so viel kann man wohl auch als Laie sagen, nimmt es damit sehr, sehr genau.

Über Qualität lässt er nicht mit sich reden. Höchstens, dass er bei Abrechnung in einem besonderen Fall auch mal eine Arbeitsstunde unter die Bank fallen lässt: als kürzlich ein interessierter, vergleichsweise junger Mann einen im Internet unfassbar billig ersteigerten Reisesekretär aus dem 17. Jahrhundert vorbeibrachte, dem man auch auf den zweiten Blick seine ehemals noble Herkunft nun wirklich nicht mehr ansah, fühlte sich Dill auch ein bisschen in der Pflicht, die Sache finanziell im Rahmen zu halten. Grundsätzlich geht er nur an, was er für „restauratorisch-moralisch“ vertretbar hält; es kann also auch nicht jeder mit jedem kommen.

Wann kann eine Arbeit auch vor den strengen Augen von Johann Moritz Dill bestehen? „Wenn alles geprüft worden ist“, sagt er, „und sauber gearbeitet wurde.“ Nicht von ungefähr lässt Dill das Personalpronomen hier weg, sieht er sich doch mehr im Dienst einer Sache, die nur unvollkommen mit Tradition und Pflege umschrieben wäre. Dass viele heute teuer gehandelte Antiquitäten ehedem mit dem Schweiß und der Gesundheit von halben Sklaven bezahlt wurden, muss man ihm nicht erzählen. Dill ist alles andere als berufsblind.

Eines noch vielleicht. Ob es tatsächlich stimmt, dass so ein Möbel ein Freund fürs Leben werden kann? Er sieht es nicht so, darf es nicht so sehen, denn Johann Moritz Dill schaut anders auf die Dinge. Der Dresdner Hallenschrank allerdings, der jetzt auf ewig auszieht? Schon.