Wenn die Polizeisuche nach Vermissten erfolglos bleibt, wird sie alarmiert: die Rettungshundestaffel Rems-Murr. Seit 15 Jahren sind die Ehrenamtlichen und ihre Hunde an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr einsatzbereit – ein Trainingsbesuch.

Schorndorf - Ungeduldig trippelt Aimee neben Jaqueline Haydt her. Die funjährige Schäferhündin kann es kaum erwarten bis ihre Hundeführerin sie ableint und sie endlich ihre Aufgabe erfüllen darf. Denn Aimee ist ein für die so genannte Flächensuche ausgebildeter Rettungshund. Dabei durchkämmen vierbeinige Notfallhelfer gemeinsam mit ihren Hundeführern ein bis zu 50 000 Quadratmeter großes Gelände nach vermissten Personen.

 

Übung im strömenden Regen

An diesem Samstagnachmittag indes ist es kein Notfall, der Jacqueline Haydt und Aimee in den Wald treibt, derweil es Bindfäden regnet. Die beiden üben lediglich für den Ernstfall zusammen mit den übrigen Mensch-Hund-Teams der Rettungshundestaffel Rems-Murr. Vor 15 Jahren hat sich die Staffel gegründet. Seither wird zwei Mal pro Woche trainiert – komme was da wolle. Dieses Mal hat der Vorstand Markus Daiß, eine Einsatzübung unter realen Bedingungen angesetzt. Wie im Ernstfall suchen die Staffelmitglieder aufgeteilt in Teams – bestehend aus je einem Rettungshund, seinem Führer und einem Helfer – ein Waldstück bei Schorndorf-Mannshaupten ab. Jedes der Teams übernimmt ein eigenes Areal. Per Funk halten sie mit dem Einsatzleiter Markus Daiß Kontakt.

Aimee und Jacqueline Haydt haben ihr Suchgebiet erreicht, das Daiß ihnen genau in einer Karte eingezeichnet hat. Gleich geht’s los. Die Schäferhündin bellt aufgeregt. Haydt und ihre Helferin Stephanie Weier besprechen die Suchtaktik. Dazu muss zunächst die Windrichtung ermittelt werden – und zwar in Höhe der Hundenase. Weier geht in die Hocke und bläst Seifenblasen in die Luft. „Wir haben Gegenwind. Das ist gut, das hilft dem Hund beim Suchen“, stellt Jacqueline Hayd fest. Denn so werden mögliche menschliche Geruchspartikel Aimee direkt zugetragen. „Bei Rückenwind dagegen muss sie das Opfer erst einmal überlaufen und dann wieder zu ihm zurückgehen“, erklärt die Hundeführerin, die auch die Ausbildungsleiterin der Staffel ist, die flüchtige Welt der Gerüche.

Hundeführer müssen ihren Vierbeiner voll vertrauen

„Such voran“, weist sie dann Aimee an und deutet mit gestrecktem Arm die Laufrichtung an. Das lässt sich die Schäferhündin nicht zweimal sagen. Mit einem Satz verschwindet sie im Unterholz. Nur noch das Glöckchen an ihrem Einsatzgeschirr ist zu hören. Und wenn jetzt ein Reh auftaucht? „Davon darf Aimee sich nicht ablenken lassen. Da muss man seinem Hund vertrauen“, meint Haydt, während sie sich zusammen mit ihrer Helferin einen Weg durch das Gestrüpp bahnt. Dass sie der Versuchung flüchtendes Wild zu hetzen widerstehen kann, hat die Schäferhündin bereits bewiesen. „Bei einer Prüfung ist sie einmal tatsächlich auf ein Reh gestoßen.“ Doch Aimee ließ das Rotwild ziehen und bestand, wie schon so oft. Denn jedes Jahr werden Rettungshunde erneut auf ihre Tauglichkeit getestet. Wer durchfällt, darf vorerst nicht mehr in Einsätze mitgehen – bis die Prüfung wieder erfolgreich abgelegt wird.

Durchschnittlich zwölf- bis 15-mal im Jahr wird die Rettungshundestaffel Rems-Murr zu Notfällen gerufen, berichtet Markus Daiß. „Die Alarmierungsnummer ist aber immer erreichbar, an 365 Tagen im Jahr und 24 Stunden rund um die Uhr“, ergänzt Andreas Moscal. Auf dem Handy des Zugführers gehen die Anrufe der Rettungsleitstelle Waiblingen oder der Polizei ein. Nur wenn er im Urlaub ist, wird die Alarmierungsnummer auf das Mobiltelefon eines anderen Staffelmitglieds umgeleitet.

Meist klingelt das Einsatztelefon am späten Abend

„Selbstmordgefährdete Personen und Senioren, die aus Pflegeheimen entlaufen, sind die Hauptschwerpunkte, deretwegen wir gerufen werden“, sagt Daiß. Da vermisste ältere Herrschaften oftmals nicht nur dement und verwirrt sondern auch auf Medikamente angewiesen sind, beispielsweise wegen Diabetes, ist in diesen Fällen ebenfalls schnelle Hilfe gefragt. Aber auch wenn Kinder von daheim abhauen oder jemand nach einem Unfall im Schockzustand wegläuft, wird die Rettungshundestaffel alarmiert. Meist klingelt das Einsatztelefon am späten Abend, da die bisherige Suche der Polizei erfolglos geblieben ist und die Dunkelheit hereinbricht. Dann sind die Rettungshunde mit ihren feinen Nasen menschlichen Helfern weit überlegen.

Doch nicht jede Suche geht mit einem Happy End aus. „Manchmal können wir die Vermissten nur noch tot auffinden“, berichtet Andreas Moscal. Auf solch belastende Erfahrungen würden angehende Rettungshundeführer während der rund zweijährigen Ausbildungszeit in Seminaren mit Seelsorgern vorbereitet. „Denn nicht nur die Hunde werden ausgebildet, auch ihre Menschen.“ So stehen unter anderem Erste-Hilfe-Maßnahmen für Hund und Mensch sowie Kartenkunde und Suchtak-tiken auf dem Stundenplan.

Inzwischen hat Aimee, angeleitet von Jacqueline Haydt, ihr Gebiet restlos durchstöbert. Unermüdlich hat sie in weiten Kreisen die Waldfläche abgesucht, sich dabei immer wieder zu ihrer Hundeführerin zurück orientiert und neue Anweisungen abgeholt. Gefunden hat sie nichts in dem menschenleeren Waldstück. Auch das gehört im Einsatzfall dazu. Erfolglos bleibt die Schäferhündin dennoch nicht. „Wenn das Suchgebiet leer ist, dann versteckt sich im Anschluss eben der Helfer darin“, erklärt Jacqueline Haydt. „Wir lassen jeden Hund nur mit einem positiven Erlebnis aus dem Wald.“ Denn letztendlich ist für die vierbeinigen Retter alles nur ein Spiel, an dessen Ende ein Leckerli oder der Lieblingsball auf sie warten.

Vierbeinige Notfallhelfer

Aus 20 Mitgliedern und ihren Hunden besteht die Rettungshundestaffel Rems-Murr, die sich vor drei Jahren dem Bundesverband der Rettungshunde angeschlossen hat. Zuvor war sie dem Arbeitersamariterbund (ASB) angegliedert. Momentan verfügt sie über sechs geprüfte Flächensuchhunde und zehn Junghunde, die noch in der Ausbildung sind. Zudem werden derzeit zwei vierbeinige Retter für Mantrailing abgerichtet. Im Gegensatz zu einem Flächensuchhund, der jedem menschlichen Geruch in dem ihm zugewiesenen Gebiet nachgeht, verfolgt ein Mantrailing-Hund ausschließlich den Duft einer ganz bestimmten Person, auf den er zuvor mit einer Geruchsprobe angesetzt wurde.

Die Mitglieder der Staffel führen Hunde unterschiedlichster Rassen – von Deutschen und Holländischen Schäferhunden über Golden Retriever bis hin zu Entlebucher Sennenhunden. Auch Mischlinge sind darunter. „Für die Rettungshundearbeit eignet sich jeder Hund, der sich über Futter- oder Spieltrieb motivieren lässt“, erklärt der Vorstand Markus Daiß.

Bereits acht Wochen alte Welpen werden mit kleinen Übungen im Wald spielerisch zur Rettungshundearbeit angeleitet. Aber auch mit schon erwachsenen Hunden kann man in die Ausbildung noch einsteigen. Neue Mitglieder, ob mit oder ohne Vierbeiner – auch Helfer werden immer gebraucht –, seien stets willkommen, sagt Daiß. Nähere Informationen und Kontaktdaten finden Interessierte im Internet auf der Homepage der Rettungshundestaffel unter www.rh-rm.de oder auf Facebook.