König Kurt dankt ab – der rheinland-pfälzische Ministerpräsident will sein Amt Anfang 2013 aufgeben. Die Wahl seiner Nachfolgerin ist geschickt: Malu Dreyer ist sehr populär – selbst bei politischen Gegnern.

Mainz - Diese Zeitplanung war so nicht abgesprochen mit den Genossen in Berlin, das wird aus SPD-Kreisen in Mainz versichert: Am Freitag Abend hat Kurt Beck (SPD) seinen Rückzug aus der Politik verkündet – ein Paukenschlag in Rheinland-Pfalz, der allerdings übertönt wird von der Kür Peer Steinbrücks zum SPD-Kanzlerkandidaten. Der dienstältestes Ministerpräsident gibt seinen Rücktritt bekannt – und das nur drei Wochen, nachdem er ein Misstrauensvotum der CDU im Landtag locker überstanden hat. Noch Anfang August hatte Beck sich bei einer Parlamentsdebatte bei den Bürgern für „Fehler“ bei der Nürburgring-Affäre entschuldigt, einen Rücktritt aber kategorisch abgelehnt und damals gesagt: „Es ist meine Aufgabe, dieses Land zu führen.“ Ob er diese Absicht bis zur nächsten Landtagswahl 2016 durchhalten könnte, darüber war heftig spekuliert worden. Spuren von Amtsmüdigkeit hatte er kaschieren können in den vergangenen Wochen mit einer Schweiz-Reise, in der er sich zum Steuerstreit äußerte und mit Wortmeldungen zur Rentendebatte in der SPD, wo er für einen Kompromiss warb.

 

„Er war zermürbt und amtsmüde“, sagt einer seiner langjährigen Weggefährten. Dass sogar der Steuerzahlerbund wegen der Nürburg-Pleite seinen Rückzug gefordert habe, das habe ihm zu schaffen gemacht. Im Oktober soll der Prozess gegen seinen früheren Finanzminister Ingolf Deubel beginnen – auch eine Belastung für Beck. Hingewiesen wird auch auf einen privaten Hintergrund des Rückzugs – gesundheitliche Gründe hat Beck als einen Grund für ein Ausscheiden aus der Politik nie ausgeschlossen. Dass er in dieser Hinsicht angeschlagen war, wussten Insider schon lange. Vor dem nächsten Landesparteitag am 10. November hat Beck also die Weichen gestellt. Aber wie er sie stellte, das war doch eine Überraschung: Nicht der als Favorit gehandelte Innenminister Roger Lewentz soll ihn beerben. Es ist die 51-jährige Malu Dreyer, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Demografie, die ihm als Ministerpräsidentin nachfolgen soll. Anfang 2013 soll sie die Regierungsgeschäfte übernehmen. Selbst politische Gegner zollen der seit elf Jahren amtierenden Sozialministerin viel Respekt wegen ihrer warmherzigen Ausstrahlung und ihres gewinnenden Wesens. „Sie ist die einzige, die der CDU-Herausfordererin Julia Klöckner gefährlich werden kann“, sagen politische Beobachter in Mainz.

Marie-Luise sagt niemand, alle nennen sie Malu

Wie ein Quartett sind Bildungsministerin Doris Ahnen, SPD-Fraktionschef Hendrik Hering, Innenminister Roger Lewentz und Malu Dreyer stets in Mainz aufgetreten – eine Ansammlung möglicher Nachfolger Kurt Becks. Lewentz soll den Vorsitz der Landespartei übernehmen, anders als die unbelastete Dreyer könnte ihn das Wahlvolk noch mit der Nürburgring-Pleite in Verbindung bringen.

Mit der Entscheidung für Frau Dreyer hat Beck offenbar seinen letzten Trumpf gezogen. Malu Dreyer heißt eigentlich Marie-Luise mit Vornamen – doch so nennt sie selbst im Kabinett niemand. Die ausgewiesene Sozialpolitikerin, die aus Neustadt an der Weinstraße stammt, war auch die heimliche Wunschkandidatin der Grünen, die mit der SPD in Mainz eine Koalitionsregierung bilden. Dreyer, die fest im katholischen Glauben verwurzelt ist, hat sich für die kostenfreie Bildung im Land stark gemacht, für eine Versachlichung der Debatte um Muslime und Ausländer geworben und sich für die Inklusion eingesetzt – die Öffnung der Schulen für Behinderte.

Seit 2006 spricht die Ministerin offen über ihre Krankheit

Ein Handicap der Juristin ist ihre Erkrankung an Multipler Sklerose, die sie aber seit 2006 offen anspricht, und die sie auch nicht vor Reisen nach Afrika – ihrem Traumziel – abhält: „Mir geht es unheimlich gut, ich kann nur nicht gut laufen“, sagte sie vor einem Jahr in einem Interview. Auf längeren Strecken benützt sie deshalb den Rollstuhl. Verheiratet ist Dreyer mit dem Oberbürgermeister von Trier, mit dessen drei Kindern sie auch in Trier lebt.

Junge Union und Linkspartei in Rheinland-Pfalz fordern wegen Becks Rückzug Neuwahlen. Denn auch wenn der Regierungschef nun gehe, so kritisiert der Generalsekretär des CDU-Landesverbandes, Patrick Schneider, so bleibe doch das „System Beck“ erhalten.