Die Deutsche Bahn will 17.000 Kilometer Schienenwege bis 2019 erneuern. In der Spitze wird es bis zu 850 Baustellen pro Tag geben. Der Bundesrechnungshof kritisiert die fehlende Kontrolle und Transparenz.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Bahnreisende und Pendler müssen sich in den nächsten Jahren auf weitere Einschränkungen einstellen. Der erfreuliche Grund: Die Deutsche Bahn will mit dem größten Modernisierungsprogramm ihrer Geschichte den riesigen Investitionsstau bei der Infrastruktur beseitigen. Rund 28 Milliarden Euro sollen bis 2019 in das bestehende Schienennetz fließen. In der Spitze werde es bundesweit bis zu 850 Baustellen pro Tag geben, kündigte DB-Vorstand Volker Kefer in Berlin an. Allein im kommenden Jahr sollen 5,3 Milliarden Euro in die Erneuerung von 3800 Kilometer Schienen, 2000 Weichen, 2,5 Millionen Schwellen und 125 maroden Brücken gesteckt werden.

 

Um baubedingte Sperrungen zu minimieren, sollen die mehr als 500 Maßnahmen in rund 80 Baukorridoren zusammengefasst werden. Durch fast 13 000 „Baufahrpläne“ sollen Reisende verlässliche Informationen über Umleitungen, längere Fahrzeiten und Ersatzverkehr erhalten. Die Bahn wolle den Reisenden „ so wenig Einschränkungen wie möglich“ zumuten, sagte Kefer und bittet um Verständnis für die Maßnahmen.

Basis der Investitionsoffensive ist die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV II) zwischen dem Bund und der Deutschen Bahn. Damit werden dem Konzern als Betreiber der Infrastruktur bis 2019 rund 28 Milliarden Euro für den Erhalt des staatlichen Schienennetz garantiert. Der Bundesrechnungshof hat die Vereinbarung wegen Steuerungs- und Kon-trolldefiziten in einem aktuellen Prüfbericht scharf kritisiert, die Behörde befürchtet Verschwendung von Steuergeldern und fordert umfangreiche Nachbesserungen.

Rund 1700 neue Mitarbeiter für die Arbeiten

Der Bericht liegt dem Verkehrs-, Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestags sowie Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor. Auch die Opposition kritisiert die LuFV scharf und verlangte bisher vergeblich Nachverhandlungen. Eine angemessene Kontrolle der rund 20 Milliarden Euro, die direkt als Bundeszuschüsse fließen sollen, fehle, bemängeln die Grünen. Die Linken verweisen auf Sachverständige, die im Verkehrsausschuss darlegten, dass LuFV-Mittel auch zur Finanzierung der exorbitanten Mehrkosten des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21 verwendet werden könnten.

Im Vergleich zur ersten LuFV soll die Deutsche Bahn AG insgesamt acht Milliarden Euro mehr in den nächsten fünf Jahren erhalten. Der neue Vertrag war jahrelang umstritten, der ehemalige Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte deshalb die erste Vereinbarung verlängert. Die Finanzierung der Schienen-Infrastruktur wurde mit der Bahnreform im Jahr 1994 neu geregelt und später mit der LuFV nachgebessert, die von der Deutschen Bahn jährliche Berichte zum Zustand der Infrastruktur verlangt.

Diese Berichte fielen regelmäßig recht positiv aus. Umso größer war das öffentliche Entsetzen, als der Rechnungshof und die Bahnaufsicht wiederholt schwere Mängel vor allem bei Bahnbrücken rügten und Konzernchef Rüdiger Grube den Investitionsstau im Netz schließlich auf 30 Milliarden Euro bezifferte. Seither werden strengere Kontrollen des Netzzustands und der Mittelverwendung gefordert, zumal die Bahn jahrelang dreistellige Millionenbeträge aus der subventionierten Netzsparte als Gewinn in die Konzernkassen abzweigte. Verkehrsminister Dobrindt lässt als Reaktion den Netzzustand nun auch durch Messzüge der Regierung überwachen. Zudem soll die – auch von der EU-Kommission scharf gerügte – Zweckentfremdung der Netzzuschüsse gestoppt werden. Jeder Cent Gewinn aus der Infrastruktur werde künftig  „ohne Abstriche“ an den Bund ausgeschüttet und von dort wieder ins Netz zurückfließen, betonte Bahn-Vorstand Kefer in Berlin.

Die Bahn will bis 2019 unter anderem mindestens 875 Brücken für mehr als drei Milliarden Euro erneuern. In den Austausch von 17 000 Kilometern Gleise und 8700 Weichen sollen zwölf Milliarden Euro fließen. Rund vier Milliarden Euro hat der Staatskonzern für Leit- und Sicherungstechnik sowie Stellwerke vorgesehen, eine Milliarde Euro sollen für Tunnel und rund acht Milliarden Euro für Bahnhöfe, Energieanlagen, Lärmschutz und moderne Telekommunikation ausgegeben werden. Für die Arbeiten will der Konzern rund 1700 Mitarbeiter einstellen.