Die Stadt hat 2002 das Kanalnetz an eine US-Briefkastenfirma verkauft. Die Schieflage der Westdeutschen Landesbank, die ein Darlehen bei dem umstrittenen Steuersparmodell absicherte, macht einen Wechsel nötig.

Stuttgart - Acht Stadträte von CDU, SPD, Grünen und Freien Wählern werden am Donnerstag von der Vergangenheit eingeholt. Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) unterbreitet dem Gemeinderat einen Änderungsvorschlag für den umstrittenen Cross-Border-Vertrag mit dem US-amerikanischen Versicherungskonzern John Hancock. Er liegt dem Verkauf und der sofortigen Rückmietung des Kanalnetzes als Steuersparmodell zugrunde.

 

Philipp Hill, Iris Ripsam, Fred-Jürgen Stradinger (alle CDU), Marita Gröger, Maria Hackl (SPD), Silvia Fischer (Grüne) sowie Jürgen Zeeb und Konrad Zaiß von den Freien Wählern saßen 2002 mit Föll im Gemeinderat, als ein umstrittenes 1000-Seiten-Konvolut in feinstem Wirtschaftsenglisch abgenickt wurde, ohne sich zuvor ausführlich mit Details beschäftigt und über die Risiken informiert zu haben. Der damalige OB Wolfgang Schuster (CDU) hatte Dollarzeichen in den Augen und sah die Chance, 22 Millionen Euro einzusammeln.

Kein Einblick in die Verträge

15 Jahre später hat immer noch niemand den von Fachanwälten für Fachanwälte entwickelten Vertrag durchdrungen, auch weil die Details geheim sind. Es ist deshalb anzunehmen, dass „der Übertragung der Zahlungsverpflichtung des Fremdkapital-Erfüllungsübernehmers im Rahmen der Cross-Border-Lease-Transaktion Kanalnetz vom 20. Dezember 2002 von der Portigon AG auf die Deutsche Bank“ ohne großes Aufhebens zugestimmt wird.

Die Gelegenheit, die Ahnungslosigkeit der Politik und die Geldgier von Bankern zu geißeln, wird sich allerdings Hannes Rockenbauch (SÖS-Linke plus) nicht nehmen lassen. Er spricht von „einer Erbsünde der neoliberalen Zeit“, die der Stadt bis 2031 auf die Füße fallen könnte. Bewerten könne er den Vorschlag der Verwaltung nicht, der Beschluss basiere auf Vertrauen.

Kanalnetz in die USA verscherbelt

Ende der 90-er Jahre haben hunderte Kommunen in Europa die Grundlagen der Daseinsvorsorge – Nahverkehrsbetriebe, Kanalnetze, Kläranlagen – von Europa nach Übersee verkauft, und zwar für 99 Jahre. Danach wurden sie für bis zu 30 Jahre zurückgemietet. Damit wurden Steuervorteile in zwei Ländern genutzt. Die Geschäfte wurden mit US-amerikanischen Briefkastenfirmen aus Steuerparadiesen wie dem Bundesstaat Delaware abgeschlossen. 2004 wollte der US-Fiskus nicht länger zuschauen, wie sich ausländische Kommunen auf Kosten der amerikanischen Steuerzahler sanierten und stoppte das Modell. Viele Städte gerieten in Schwierigkeiten. Nach der Lehmam-Pleite 2008 wurden viele Verträge aufgelöst.

Vorzeitig beendet wurde in Stuttgart die Transaktion des Klärwerks. „Unter weitgehender Beibehaltung des Barwertvorteils“ von 11,8 Millionen Euro, schreibt Föll in der aktuellen Vorlage, in der es um den Pseudoverkaufs des Abwasserkanalnetzes geht. Auch in diesem Fall wäre dem Kämmerer eine vorzeitige Vertragsauflösung recht: er prüfe „aufmerksam Möglichkeiten“ einer einvernehmlichen Vereinbarung. Die Gegenseite habe allerdings kein Interesse.

Partner fällt aus

Ein nicht zu unterschätzendes Risiko ist die Störung des Kreditvertrages, etwa durch die Herabstufung einer beteiligten Bank. Der Kommune obliegt es in diesem Fall, innerhalb weniger Tage ein Institut mit gleichwertigem Ranking zu präsentieren. Das stellte etwa die Stadt Heidenheim 2013 vor Probleme, ihr drohte seinerzeit eine Rückzahlung von fast 30 Millionen Euro – fast zehnmal mehr, als man ihr für das Steuersparmodell bei Vertragsabschluss auf den Tisch geblättert hatte.

Auch die Stadt Stuttgart hat mit der WestLB einen nicht ausreichend zuverlässigen „Fremdkapital-Erfüllungsübernehmer“ zu ersetzen. Das Institut erhielt damals 46 Millionen Dollar von der Stadt und verpflichtete sich, sieben festgelegte Zahlungen zu leisten. Damit wurde ein Darlehen der Bayern LB zurückgeführt. Eine Zahlung steht noch aus, am 2. Januar 2031 sind 67 Millionen Dollar fällig.

LBBW hat abgelehnt

„Aus der Finanzkrise ergaben sich für die West LB sehr hohe finanzielle Belastungen, die dazu führten, dass die Bank nach Vorgaben der EU-Kommission abgewickelt werden muss“, beschreibt Föll den tiefen Fall der Bank. Die Abwicklung erfolge über die Portigon AG, die nun aber das gleiche Schicksal ereile. Die Stadt stünde bei einem Ausfall im Regen, weshalb Föll eine Übertragung der Zahlungsverpflichtung auf eine andere Bank für sinnvoll erachtet. Anders als im Fall Heidenheim gab es gleich zwei Interessenten: die Deutsche Bank sowie die LBBW. Aber die Landesbank winkte letztlich wegen zu hoher Kosten ab.

Die Deutsche Bank würde das Risiko übernehmen und im Falle einer Herabstufung auch weitere Sicherheiten in Form von Bankgarantien und Pfändern liefern. Die Verwaltung empfiehlt deshalb, das Angebot der Deutschen Bank anzunehmen. Mit diesem Bankhaus sinke das Risiko für die Stadt, verspricht Föll.