Erstmals seit 20 Jahren ist der Verbrauch des Ritalin-Wirkstoffs in Deutschland wieder gesunken. Wird beim Zappelphilipp-Syndrom auf Tabletten nun eher verzichtet?

Stuttgart - Empörung auf der einen, Überzeugung auf der anderen Seite: an der Frage der medikamentösen Behandlung des „Zappelphilipp-Syndroms“ ADHS bei Kindern scheiden sich seit jeher die Geister. Jahrzehntelang überwog für viele Betroffene der langfristige Nutzen des Psychomedikaments Ritalin gegenüber dessen Risiken. Doch nun ist der Verbrauch des Wirkstoffs erstmals seit zwanzig Jahren zurückgegangen.

 

Neuen Erhebungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zufolge sank der Verbrauch des Ritalin-Wirkstoffs Methylphenidat 2013 im Vorjahresvergleich von 1839 auf 1803 Kilogramm. In den zehn Jahren zuvor hatte sich der Verbrauch verdreifacht. Ein echter Abwärtstrend lasse sich aus diesem leichten Rückgang jedoch noch nicht erkennen, erklärt Walter Schwerdtfeger, der Präsident des Instituts. Es sei aber „ein positives Signal, das auf einen kritischeren Umgang mit Methylphenidat hindeutet“. Neue Daten der Techniker Krankenkasse zeigen zudem, dass die Zahl der Kinder zwischen sechs und 17 Jahren, die Medikamente gegen ADHS bekommen haben, von 2009 bis 2012 bundesweit um 3,4 Prozent gesunken ist.

Selbsthilfeverein sieht positive Einstellung zu Medikament

Falsch dosiert kann Methylphenidat Angstzustände, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen auslösen. Mediziner sind sich jedoch einig, dass das Medikament bei etwa 70 Prozent der Kinder mit ADHS die Symptome lindert; sie werden aufmerksamer, können sich besser konzentrieren und lassen sich weniger durch äußere Reize ablenken.

Johannes Streif vom Selbsthilfeverein ADHS Deutschland hat eher eine zunehmende Toleranz beobachtet. Es gebe unter Eltern und Lehrern zwar immer wieder Verunsicherung, generell stünden die Betroffenen der medikamentösen Behandlung von ADHS aber positiv gegenüber. Man könne daher nicht von einer Trendwende sprechen. Noch lassen die Zahlen keine endgültigen Prognosen zu. 2013 kam ein neues Amphetamin-Präparat auf den Markt, das dieselben Symptome anspricht und den Rückgang beeinflusst haben könnte, vermutet Streif. Auch der generelle Rückgang der Schülerzahlen könnte die neuesten Befunde erklären.