Der Rektor der Römerschule Bernd-Ulrich Groß verabschiedet sich in den Ruhestand.

Lokales: Sybille Neth (sne)

S-Süd - Zwölfmal Bernd-Ulrich Groß in Blau-Weiß. Gemalt haben die Porträts auf der Einladungskarte zur Verabschiedung ihres Rektors ein paar Schüler der Römerschule. Damit ist schon einiges über den 65-Jährigen gesagt, denn Groß ist ein Liebhaber der bildenden Kunst und hat deshalb die stattlichen Treppenaufgänge im fünfstöckigen Schulhaus von den Grundschülern bemalen lassen. Jetzt begleitet sie von Stockwerk zu Stockwerk die Blumenwiese mit Häschen und Maulwurf, der Wald mit Uhu und Reh, der Ponyhof mit Reitstunde und Koppel, die Stuttgarter Ansichten mit Flughafen und Autostau – und ganz oben treten sie ein ins Weltall mit Milchstraße und Jupiter. Für die Außenwände hat der Rektor Profis engagiert, die heitere Ornamente aufmalten und Groß’ pädagogischen Leitspruch in runden kindlichen Lettern riesengroß aufpinselten: „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann“.

 

Ihn selbst kennen viele als Querkopf. Aktuell mit seiner Kritik an der gebundenen Ganztagsschule und seiner Ablehnung einer Schulcampuslösung im Stuttgarter Süden. In der Vergangenheit sei er als Rektor mit dem Kollegium und der Schulverwaltung aneinander geraten, erzählt er. Der Grund: Er brachte neue Ideen ins Schulhaus. Beim Unterricht sollten sich die Kinder bewegen können, das abweisende und marode Gebäude ließ er umgestalten und sanieren, auf den Schulhof kamen Klettergerüste und ein Garten. Und Groß führte die Freiarbeit nach Maria Montessori ein.

„Ich wollte nie Lehrer werden“

Deshalb steht auf seinem Schreibtisch der so genannte rosa Turm, ein Kernstück unter den Sinnesmaterialien der italienischen Pädagogin. „1992 habe ich selbst das Montessori-Diplom gemacht, weil ich gesehen habe, dass die Kinder mehr individuelle Betreuung benötigen und ihr Selbstbewusstsein gestärkt werden muss“, sagt Groß. Bis heute gibt es jeden Morgen an der Römerschule zwischen 30 und 90 Minuten Freiarbeit mit Montessori-Material und mit Themen, die die Schüler frei wählen. Im Idealfall entdecken die Lehrerinnen dabei, in welchem Bereich ein Kind besonderen Förderbedarf hat. „Bei 24 bis 28 Kindern in der Klasse ist das eine Herausforderung“, sagt Groß. Er ärgert sich darüber, dass die Grundschulen die Stiefkinder der Bildungspolitik sind: „Alle zusätzlichen Lehrerstunden für den Ergänzungsbereich, zu dem die Betreuung eines Chors oder die sinnvolle Beschäftigung nicht-christlicher Kinder während des Religionsunterrichts gehören, wurden uns gestrichen. So aber können wir die heterogene Schülerschaft nicht bündeln. Für das, was Schule ausmacht, haben wir keine Mittel.“

Seine erste Stelle als Teilzeitlehrer hatte Groß Ende der 70er Jahre an der Grund-und Hauptschule Leinfelden-Echterdingen: „Vorwiegend Siebt-und Neuntklässler hatte ich als Klassenlehrer. Aber ich bin mit den Jugendlichen gut ausgekommen. Die sind jetzt um die 40, aber immer wieder meldet sich einer bei mir.“ Das freut den spätberufenen Pädagogen. „Ich wollte nie Lehrer werden“, sagt er lachend. Und so machte er eine Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst. Kurz nach seiner Verbeamtung 1974 kündigte Groß und begann an der Pädagogischen Hochschule in Esslingen das Studium für das Lehramt an Grund-und Hauptschulen. Durch sein ehrenamtliches Engagement in der Jugendarbeit des CVJM hatte er bemerkt, dass er mit Kindern und Jugendlichen gut kann und ihm die Datenverwaltung beim Landratsamt Ludwigsburg zu öde geworden war.

Einiges nervt ihn an der derzeitigen Bildungspolitik

So ähnlich geht es ihm jetzt bei seinem Abschied vom Schuldienst. „Es hat manchen überrascht, dass ich mit 65 gehe, denn viele haben gedacht, ich würde bis 67 arbeiten“, schmunzelt Groß. Aber einiges nervt ihn an der derzeitigen Bildungspolitik. Das fängt an bei der Einführung der gebundenen, das heißt der verpflichtenden Ganztagsschule. „Die Eltern wollen das nicht“, davon ist er überzeugt und plädiert für eine Kombination gebundener und teilgebundener Ganztagsschule. Für die nicht verpflichtende Variante an der Grundschule macht sich Groß stark, und so bieten an der Römerschule verschiedene Vereine am Nachmittag Musik, Kunst, Sport und Zirkus an. Die Teilnahme aber ist freiwillig.

Der gebürtige Untertürkheimer nimmt jetzt zwar seinen Hut und will sich künftig seinen Hobbys Wandern und Klettern widmen – vielleicht. „Wahrscheinlich werde ich aus der Stadt wegziehen, denn das Großstadtgetriebe wird mir zu viel. Ich will zur Ruhe kommen.“