Ich nenne mal ein paar Stichworte, und Sie bewerten, wie die Projekte aus Ihrer Sicht jeweils gelaufen sind. Bosch-Areal.
Ausgesprochen positiv. Wir konnten den geplanten Abriss verhindern, und aus dem Literaturhaus ist in Verbindung mit der Liederhalle ein wichtiger kultureller Standort in Stuttgart geworden, ein sehr lebendiges Quartier. Allerdings ärgere ich mich schon seit Jahren über den üblen Zustand des Innenhofs.
Altes Schauspielhaus.
Ebenfalls positiv. Zwanzig Jahre stand das Gebäude mit seiner schönen Jugendstilfassade leer. Durch die Sanierung 1982 und unseren Anbau für die Anlieferung konnte das Haus den Spielbetrieb wiederaufnehmen. Zu unseren Erfolgen zähle ich übrigens auch einige unserer Neubauten. Das Steuerberaterhaus zum Beispiel gegenüber der Russischen Kirche in Stuttgart, auch die Gutenbergschule im Hallschlag. Wir haben nie Modisches gebaut. Das mag der Grund sein, dass neun meiner Bauten inzwischen unter Denkmalschutz stehen.
Ein wichtiges Projekt in Stuttgart war und ist auch das Hotel Silber, also die ehemalige Gestapo-Zentrale, die ursprünglich einem Neubau weichen sollte. Sie haben sich zusammen mit anderen Bürgern dafür eingesetzt, dass das Haus als Dokumentationszentrum erhalten und genutzt wird.
Der frühere Oberbürgermeister Schuster und die Kulturbürgermeisterin, Frau Eisenmann, argumentierten anfangs, dass es sich bei dem Gebäude in der Dorotheenstraße nicht um historische Substanz, sondern um einen Neubau handle. Daraufhin habe ich alle möglichen Archive durchgefilzt und konnte dann selbst Herrn Schuster überzeugen. Außerdem haben der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik und ich damals per Unterschriftenaktion fünfzig prominente Zeitgenossen zusammengetrommelt – Intendanten, Regisseure, Oberbürgermeister, Parteivorsitzende –, die sich in einer Zeitungsanzeige gegen den Abriss aussprachen. Die Annonce haben wir aus eigener Tasche bezahlt. Ohne diesen Einsatz gäbe es das Hotel Silber heute vermutlich nicht mehr.
Sind Sie zufrieden mit dem Stand der Dinge bei diesem Projekt? Noch ist es als Erinnerungsort nicht eröffnet.
Im Großen und Ganzen ja, aber nicht mit allem. Ich war an ähnlichen Projekten auch in Köln und München beteiligt. Köln hat bereits Ende der siebziger Jahre den Beschluss gefasst, solch ein Dokumentationszentrum einzurichten, den wir in Stuttgart erst letztes Jahr gefasst haben. Beim Stadtmuseum ist es kaum anders. In München gibt es seit 1880 ein Stadtmuseum, in Stuttgart soll es nun endlich 2017 eröffnet werden. Es kommt hinzu, dass das Hotel Silber nur ein Zehntel der Summe zur Verfügung haben wird wie Köln und München und nur ein Drittel der Fläche. Das NS-Dokumentationszentrum in München hat 22 Mitarbeiter, das wäre in Stuttgart völlig undenkbar. Fläche, Geld, Menschen – all das ist nicht zu vergleichen.
Ein weiteres Projekt war die Gedenkstätte am Nordbahnhof, die an die Juden erinnert, die während der NS-Zeit von hier aus in die Vernichtungslager deportiert wurden.
Am Anfang waren es nur zwei oder drei Leute, die unbequem geworden sind. Es gab noch keine Initiative oder Gruppe. Die Stadt wollte das Gelände Ende der neunziger Jahre verkaufen. Ich habe damals protestiert und erst einmal Nachhilfestunden in Geschichte gegeben. Allmählich hat man dann begriffen, auch mit Hilfe des früheren Oberbürgermeisters Rommel, dass hier etwas geschehen musste. Jetzt gibt es die Gedenkstätte seit zehn Jahren, 2006 ist sie eingeweiht worden.
Ihre Bilanz kann sich sehen lassen. Dennoch – man kann es sich leichter machen im Leben, indem man sich nicht so aus dem Fenster lehnt, wie Sie es immer getan haben. Was hat Sie bei all dem angetrieben?
Verantwortung für das, was uns als Menschen umgibt. Pathetisch ausgedrückt: Verantwortung für die Schöpfung. Und wir sind ja Teil der Schöpfung. Diese ist kein zu verbrauchendes oder verbauendes Gut. Wir sind im Übrigen auch verantwortlich für das, was nach uns kommt.