Die zweite Hälfte des Buchs gibt Huberts Perspektive breiten Raum, und in seinem Teil der Geschichte zeigt sich nicht nur, dass viel Zeit vergangen ist, dass der Roman also nicht von Leuten um die vierzig, sondern von demnächst Fünfzigjährigen handelt. Es stellt sich auch heraus, dass aus dem hochfahrenden jüngeren Künstler nichts weiter geworden ist als ein unzufriedener Kunstprofessor, der keine Kunst mehr zu Stande bekommt und von Frau und Kind getrennt lebt. Gillian, die sich unterdessen Jill nennt, trifft er wieder, als er sich in ein Kulturzentrum in den Bergen locken lässt, um dort eine Ausstellung zu machen – ohne eine einzige Arbeit, die er zeigen könnte. Die ehemalige TV-Prominente ist dort für die Gästeunterhaltung in einem Ferienclub zuständig, ein Zufallsjob, angenommen, nachdem sie sich ins Wochenendhaus ihrer Eltern zurückgezogen hatte.

 

Das Spiel war zu Ende, sie war frei

Dass die beiden den Faden ihrer Bekanntschaft wieder aufnehmen, dass beide, jeder für sich, am Ende des kurzen dritten Teils aus ihrer parallel geführten Latenz aufbrechen und dass dies zu einem einigermaßen optimistisch wirkenden Ende führt – letzter Satz: „Das Spiel war zu Ende, sie war frei und konnte gehen, wohin sie wollte“ – dies alles könnte man für in Literatur gegossene, Klischees herumschiebende Lebenshilfe halten. Andererseits tut der Autor provozierend wenig, um den Eindruck zu erwecken, er habe eine vollendete erzählerische Form für diesen jüngsten Teil seiner Generationenerkundung gefunden: drei Teile von extrem unterschiedlicher Länge, scheinbar willkürliche Wechsel der Perspektive, Kunstbetriebssatire neben Traumaarbeit, Episoden, deren Verbindung zum Ganzen sich zunächst nicht erschließt, Überdeterminierung durch eine Fülle von Verweisen auf die Falschheit und Künstlichkeit von beider Leben . . . Tatsächlich aber schießen in Peter Stamms Roman Form und Inhalt, Nacht und Tag zusammen in einem großen, angemessen chaotischen Bild der Angst, der Unsicherheit und der Sehnsucht nach Wahrheit und Wahrgenommen-Werden, einem Bild dessen, was unser Leben ist und bleiben wird, vermutlich bis zur Bahre.