Der ARD-Spielfilm „Rommel“ löst schon vor seiner Ausstrahlung am 1. November Diskussionen aus. Wie viel Wahrheit verträgt dieser Stoff?

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Stuttgart - Mach’s gut, mein Junge.“ Es ist einer der letzten Sätze, die Erwin Rommel sagt. Er sagt sie zu seinem Sohn Manfred, dem späteren Stuttgarter Oberbürgermeister. Dann drückt er ihm Portemonnaie und Schlüsselbund in die Hand. Wenige Minuten später schluckt er eine Giftkapsel.

 

Der Spielfilm „Rommel“ mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle, den die ARD am 1. November zusammen mit einer Dokumentation zeigt, beginnt mit dem erzwungenen Selbstmord am 14. Oktober 1944 und kehrt am Ende wieder zu diesem Tag zurück. Dazwischen liegen knapp 120 Filmminuten, welche die letzten sieben Lebensmonate des Generalfeldmarschalls erzählen. Frühjahr, Sommer 1944: das ist die Zeit, in der der in Afrika gescheiterte, doch als „Wüstenfuchs“ glorifizierte Heeresführer vergeblich versucht, an der Westfront die Invasion der Alliierten zu verhindern. Er erkennt, dass Hitlers Befehle in die Katastrophe führen. Beim „Führer“ drängt der Filmheld auf eine politische Lösung, auf Verhandlungen mit den Westmächten, doch der Diktator kanzelt ihn ab wie einen Schuljungen. In seinem Hauptquartier im Schloss von La Roche-Guyon kommt Rommel mit den Plänen der Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg in Berührung. Er bezieht nicht eindeutig Stellung, verrät die Umsturzabsichten aber nicht. Dann katapultiert ihn ein Alliiertenangriff aus seinem Gewissenskonflikt heraus: Rommel wird verwundet, liegt am 20. Juli im Krankenhaus und kommt zur Genesung heim nach Herrlingen.

„Mach’s gut, mein Junge.“ Das klingt lapidar, modern und irgendwie unpassend für einen Vorzeige-Soldaten in dieser existenziellen Situation, in der es ihn innerlich in Stücke reißt und in der er nach außen die Form wahrt. Und dennoch: diese Schluss-Szene wird dem Zuschauer zusetzen.

Wie realistisch kann Fiktion sein? Was ist historisch verbrieft? Von Anfang an hat das vor vier Jahren angekündigte Filmprojekt viele Fragen zum Verhältnis von Dichtung und Wahrheit aufgewirbelt. Die Macher des Films hatten immer wieder die Fakten- und Quellenlage als Grundlage ins Feld geführt und eine größtmögliche Wirklichkeitstreue versprochen. Niki Stein ist der Regisseur und Drehbuchautor des Films, der Teamworx-Chef Nico Hofmann hat ihn im Auftrag des Südwestrundfunks produziert – ein bewährtes Team, wenn es um historisches Ereignisfernsehen geht. Die Filmleute haben eine Phalanx an wissenschaftlichen Beratern aufgeboten, diese zum Teil ausgewechselt; die Genese des Drehbuchs war langwierig – all das zeigt, wie sehr mit dem Stoff gerungen wurde. Trotzdem war ein heftiger Streit über den Film entbrannt. Die Familie Rommel übte an Steins Drehbuchversion scharfe Kritik: Manfred Rommels Vater werde in ein falsches Licht gerückt, er werde als, so lässt es sich wohl zusammenfassen, zu apolitisch, zu uneinsichtig dargestellt. Die Verantwortlichen fühlten sich zu Unrecht angegriffen und verteidigten das Projekt.

Inzwischen ist gut ein Jahr vergangen, der SWR hat das Drama nun in Stuttgart der Presse präsentiert. Die Rommels haben den Film noch nicht gesehen, sie wollen die Ausstrahlung im Fernsehen abwarten. „Wir wünschen dem SWR und dem Film viel Erfolg,“ sagt Lieselotte Rommel, die Frau des Alt-Oberbürgermeister, gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Ihr Mann wolle sich vorab nicht mehr dazu äußern.

Die Sorge der Familie, Rommel werde zu negativ dargestellt, kann der Film – Hofmann spricht von einer „Mischung aus faktischem Erzählen und emotionaler Inszenierung“ – entkräften. Bei der zentralen, bis heute umstrittenen Frage, wie viel Rommel von den Attentatsplänen wusste und wie er dazu stand, verzichtet er auf jegliche Spekulation. Als gesichert gilt lediglich, dass der Feldmarschall die Verschwörer nicht gemeldet hat, worin Hitler den Verrat sah. Die Fiktion beginnt dort, wo der Mensch hinter dem Soldaten aufscheint. Der Rommel-Darsteller Tukur und der Regisseur Stein wollen den Zuschauer in das Innere der Figur blicken lassen; sie machen sie plausibel, verständlich, stellenweise sogar sympathisch, sind aber weit davon entfernt, sie zu verherrlichen oder sich mit ihr zu verbrüdern. Sie zeichnen das Bild eines Mannes, der zwar erkennt, dass er dem Teufel dient, sich aber nicht zum Handeln durchringen und von ihm lösen kann. Ein Konflikt, der als exemplarisch für die ganze Nation in der Despotie gelesen werden kann.

Keine leichte Fernsehkost, trotzdem wird der Zuschauer durch zwei packende Geschichtsstunden gelotst. Der Film zeigt zwar vor allem Dialoge zwischen Uniformträgern, die sich über Landkarten beugen, und hat einen hochkomplexen Stoff zu vermitteln. Doch Ulrich Tukur hält mit seinem pointierten Spiel die Spannung aufrecht und macht, oft mit minimalistischer Mimik, spürbar, wie Rommel aus seinem Hadern, aus dem Konflikt von Gehorsam und Gewissen, von Eid und Erkenntnis nicht herausfindet. Er habe versucht, die Figur aus ihrer Zeit heraus zu verstehen, sagt er bei der Preview. „Das waren andere Menschen, als wir es heute sind.“ Erfreulich nuanciert treten die Nebenfiguren in Erscheinung, allen voran Benjamin Sadler als Stabschef Speidel. Weniger gelungen ist die Figur einer Comtesse, die Stein eher plump in die Geschichte hineinstrickt. Zwischen all den ernsten, harten Männergesichtern immer wieder das aparte Antlitz einer Frau aufblitzen zu lassen – dieses dramaturgische Kalkül ist allzu offensichtlich. Die Statik und Bildarmut des Geschehens bricht Stein mit dokumentarischem Filmmaterial, etwa aus der „Wochenschau“, auf, das er raffiniert mit den fiktiven Szenen verwebt; die Ausschnitte illustrieren die verheerenden Folgen dessen, was die Offiziere am grünen Tisch beschließen. Die dreißigminütige Dokumentation von Thomas Fischer, die direkt im Anschluss gezeigt wird, erweist sich als exzellente Ergänzung zur Fiktion. Ulrich Tukur urteilt so: „Zuerst die psychologische Nahaufnahme, dann die Doku – diese Kombination ist eine statthafte Annäherung an die Geschichte“.