Sieg beim Heimspiel: Der Daimler-Konzern feiert am Hockenheimring seinen Saisonhöhepunkt. Nur Lewis Hamilton ist vom Erfolg von Nico Rosberg nicht begeistert.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Hockenheim - Nico Rosberg sitzt bei Mercedes auf einem Stuhl. Man könnte auch sagen: er liegt. In seinem leger geöffneten Hemd steckt die Sonnenbrille, er schaukelt etwas herum. Es ist schon so, dass Formel-1-Siege wie der in Hockenheim lässig machen, doch im Prinzip ist Rosberg mit 29 Jahren ja noch ein junger Mann. Während er spricht, läuft sein gleichaltriger Teamkollege vorbei. Lewis Hamilton, der Dritte am Sonntag, besitzt eine abenteuerliche Rapper-Frisur.

 

Wenn kein Wunder geschieht, wird einer dieser coolen Mercedes-Jungs Weltmeister. Auch beim Heimspiel in Hockenheim, dem zehnten Rennen dieser Saison, war die erdrückende Dominanz ihrer Autos sichtbar. Rosberg holte seinen vierten Sieg, Hamilton gewann 2014 fünfmal. Doch weil Rosberg fünfmal Zweiter war, liegt er vorn. Es wird also noch lange spannend bleiben zwischen den beiden – auch weil das letzte Saisonrennen im Zuge einer irrsinnigen Verbandsentscheidung mit der doppelten Punktzahl gewertet wird.

Er habe dabei „ein schlechtes Gefühl, ich muss aber damit leben“, sagt Rosberg. Stand heute verdrängt er lieber den Gedanken daran, dass es kritisch werden könnte. Hypothetisch, aber denkbar: sollte einer der beiden Piloten vor dem letzten Rennen mit 49 Punkten die WM anführen, könnte er durch einen Ausfall beim Sieg des Kontrahenten alles verlieren. Der Mercedes-Sportchef Toto Wolff will Unterlegenen einer solchen Konstellation „psychologische Hilfe“ anbieten. „Das ist ja super“, sagt Rosberg über die Aussichten und lacht.

Rosberg oder Hamilton: Wer holt den Titel?

Der Rennfahrer präsentiert sich derweil als echter Musterknabe des Daimler-Konzerns. Für einen in Monaco aufgewachsenen, gebürtigen Wiesbadener hat er den Stern erstaunlich verinnerlicht. Immer wieder hebt er die Silberpfeile und ihre Tradition hervor – das bekommen nicht mal Schwaben hin. Und er verweist auf die Möglichkeit, die Geschichte bald auch wiederholen zu können: 1954 wurde der Argentinier Juan Manuel Fangio in einem Silberpfeil Formel-1-Champion und die deutsche Nationalelf schaffte das Wunder von Bern. 60 Jahre später sind die Fußballer schon wieder Weltmeister geworden – jetzt fehlt nur der Mercedes-Titel. Wer holt ihn? Hamilton oder Rosberg?

Nach seinem Erfolg in Hockenheim sprach Rosberg von einem „Traum“. In Deutschland im Silberpfeil zu gewinnen, „das ist fantastisch“, sagte er am Sonntag nicht nur einmal. Hamilton sind neulich diese immer wieder hervorgehobenen Formulierungen vom deutschen Fahrer im deutschen Auto auf deutscher Strecke zu viel geworden. „Um ehrlich zu sein, war Nico nie in Deutschland, also ist es nicht sein Heimrennen. Er ist deutsch-finnisch-monegassisch oder so etwas“, zitierten britische Medien den Engländer und folgerten daraus, ihr Landsmann gieße im Zweikampf dieser Weltmeisterschaft mal wieder Öl ins Feuer. Doch die Freude an Hockenheim ließ sich Rosberg durch diese Irritationen nicht nehmen. Er glaube auch, sagt er, Hamilton sei da bei einer Witzelei mit Journalisten in etwas hineingezogen worden und so zu der Aussage gekommen.

Von den kleinen Nickligkeiten abgesehen war der Hockenheim-Erfolg der vierte Heimsieg des Teams. In Monte Carlo gewann Rosberg in seiner Heimatstadt, in Österreich siegte er im Land der Mercedes-Chefs Toto Wolff und Niki Lauda, und der Erfolg in Silverstone war dem Engländer Hamilton vorbehalten. Toto Wolff machte trotz dieses Sammelsuriums von Heimsiegen auf die Bedeutung des Erfolgs in Nordbaden aufmerksam. Auf die Frage, welche Trophäe die wichtigste sei, da antwortete der Österreicher ganz im Sinne des Konzerns: „Der Heimsieg Nummer eins ist mit riesengroßem Vorsprung der in Hockenheim. Das ist der Heimsieg, der zählt. Alles andere ist Marketing.“

Und so jubelten dem Mercedes-Helden auf dem Podium zahlreiche Daimler-Mitarbeiter rund um den Konzernchef Dieter Zetsche zu. Die Mercedes-Herrlichkeit 2014 hat in Hockenheim ihren Höhepunkt erlebt, gekrönt mit dem Sieg. „Der Druck war groß, dass wir hier eine starke Performance zeigen und liefern – und das haben wir getan“, sagte Wolff nach dem Hockenheimauftritt. Schon am Sonntag geht es in Budapest weiter. Dort findet kein Heimspiel statt – doch in der Hitze Ungarns sind vor allem coole Jungs gefragt.