In der Pragstraße will die Stadt Gebäude kaufen, die dem Bau des Rosensteintunnels im Weg sind. Außerdem sind Schadstoffgrenzwerte an dieser Stelle überschritten.

Stuttgart - Wohnungen sind in Stuttgart dringend gesucht. Praktisch alle Kommunalpolitiker möchten das knappe Angebot nicht nur erhalten, sondern verbessern. Doch aus dem Blickwinkel der Bewohner mehrerer Häuser an der oberen Pragstraße gilt dieses politische Ziel nicht überall: „Unsere Häuser sollen für den Rosensteintunnel fallen“, meint ein betroffener Wohnungsinhaber. Die Stadt mache „zwischen den Zeilen“ keinen Hehl daraus, dass sie die unterhalb der Löwentorkreuzung stehenden Gebäude abreißen wolle, wenn sie alle Wohnungen aufgekauft habe.

 

„Das Ziel ist es, die Wohnnutzung an dieser Stelle wegen der hohen Schadstoffbelastung der Luft aufzugeben“, sagt Arnold Maiwald vom Stadtplanungsamt. Ansonsten müssten Lüftungsanlagen eingebaut werden, um die Wohnräume mit gereinigter Luft zu versorgen. Die Gebäude seien eher als Büros zu nutzen. „Aber auch der Abbruch der Häuser, die sich keinesfalls alle in einem guten Zustand befinden, ist möglich.“ Das müsse aber der Gemeinderat beschließen.

Baubeschluss für den Tunnel noch im Oktober?

An diesem Dienstag ist das Tunnelprojekt Thema im Ausschuss für Umwelt und Technik, der über die 1645 Einsprüche gegen die Röhren debattiert. Der Baubeschluss für das umstrittene 200-Millionen-Euro-Projekt soll noch im Oktober fallen.

Sehr erfolgreich sind die städtischen Wohnungsaufkäufer an der Pragstraße bisher noch nicht gewesen. „Insgesamt ist der Erwerb von drei Einzelgebäuden und 27 Wohnungen in drei Häusern vorgesehen“, teilt das Liegenschaftsamt der Stadt auf StZ-Anfrage mit. „Die Verkaufsbereitschaft liegt bei etwa 30 Prozent.“

Konkret geht es um die vier Gebäude Pragstraße 148, 150, 152, 156 und die zwei Häuser Bei der Meierei 1 und 3. Deren Bewohner sollen weichen, weil das Verkehrsprojekt die heute schon schlechte Luft zwischen der Südeinfahrt des Pragtunnels und dem Nordportal der unter dem Rosensteinpark geplanten Röhren noch schlechter machen wird: Nach der Prognose nimmt der Verkehr dort um 25 000 Fahrzeuge am Tag zu. Laut städtischem Gutachten liegt der Jahreswert für Stickstoffdioxid (NO2) nach dem Tunnelbau mit 95 Mikrogramm um elf Mikrogramm höher.

Alternativ müsste die Stadt Lüftungen in den Häusern einbauen

Dabei ist der Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm schon heute um mehr als das Doppelte überschritten. „Punktuell werden an den sechs Wohngebäuden Pragstraße/Bei der Meierei sehr problematische, gesundheitsgefährdende Luftschadstoffwerte prognostiziert“, heißt es in der Gemeinderatsvorlage. Falls der Erwerb der Häuser nicht gelingen sollte, will die Stadt „alternativ“ die Kosten für den Einbau und den Betrieb von Lüftungsanlagen in allen Wohnungen tragen.

Die Gegner des Tunnelprojekts interpretieren den Begriff „alternativ“ als „verklausulierten Hinweis“ auf die Abbruchpläne. „Wenn die Stadt alle Häuser in die Finger bekommen sollte, werden offenbar keine Lüftungen gebraucht.“

Die Eigentümer sehen allerdings noch Luft nach oben. „Die Angebote der Stadt liegen bei 1500 Euro für den Quadratmeter“, sagt ein Besitzer. Das sei zu wenig. „Wir haben viel Geld in Fassaden und in Balkone investiert.“ Außerdem habe man aus den oberen Stockwerken einen „tollen Ausblick über den Rosensteinpark.“