Die Queen kommt – nur diesmal leider nicht nach Stuttgart. Vor einem halben Jahrhundert stand die Stadt jedoch Kopf, als Elizabeth II. am Hauptbahnhof ankam. Eine Legende aus jener Zeit ist nicht totzukriegen.

Stuttgart - Vielleicht ist es ja gar kein Schaden für Stuttgart, dass die Queen bei ihrem Staatsbesuch diesmal nicht zu Gast in der Landeshauptstadt ist. Ein halbes Jahrhundert nach ihrem umjubelten Auftritt in Stuttgart haben sich einige der Orte, die bei ihrem damaligen Besuch im Mittelpunkt standen, ziemlich verändert: Würde sie heute – so wie damals am 23. Mai 1965 – mit dem Zug in den Hauptbahnhof einrollen, müsste man ihr den roten Teppich in einem Provisorium ausrollen. Und würde sie – möglicherweise, um in alten Erinnerungen zu schwelgen – erneut einen Blick vom Fernsehturm herab auf die Stadt werfen wollen, dann müsste man ihr vorher eine königliche Ausnahmegenehmigung erteilen, weil der „Korb“ hoch oben über Stuttgart noch immer gesperrt ist.

 

Über strenge Brandschutzauflagen hat man sich im Stuttgart des Jahres 1965 noch nicht den Kopf zerbrochen, aber für die Polizei war der Besuch der Queen schon damals ein Großeinsatz: Am „königlichen Montag“ waren eine halbe Million Menschen auf den Beinen, um einmal einen Blick auf Elizabeth II. und ihren Gatten Prinz Philip zu werfen – schon damals herrschte in Stadt und Land eine k. u. k Regentschaft: Klett und Kiesinger begrüßten die britische Königin, heute wäre sie von Kuhn und Kretschmann empfangen worden. Nur die Parteibücher sind grün und nicht mehr schwarz.

Im primelgelben Seidenkleid

Die Sache mit den Farben hat übrigens bei diesem für viele Stuttgarter Zeitzeugen unvergesslichen Besuch der Monarchin in Stuttgart keine geringe Rolle gespielt. Zumindest für die Presse. Die Königin trug „ein Seidenkleid in Jadegrün und Primelgelb“, bemerkte ein stilbewusster Journalist, während sein Kollege auf der Königstraße postiert war und von jenem eleganten schwarzen Mercedes 600 schwärmte, in dem die Queen stehend vom Bahnhof aus zum Neuen Schloss gefahren wurde. Begleitet vom lauten Jubel der Fähnchen schwenkenden Stuttgarter.

Eine Farbe spielte auch eine Rolle bei einer der Legenden, die sich um den Besuch von Elizabeth II. ranken: Vor dem Eingang des Fernsehturms soll der Rasen so spärlich gewachsen sein, dass man ihn angeblich mit grüner Farbe besprühte. Königshäuser liefern neben Märchenhochzeiten oft auch andere Märchengeschichten, und zu dieser zählt der ewige Mythos von Marbach: „Where are the horses?“, soll die Queen nach dem Besuch der Schillerstadt Marbach mit Blick auf den südwürttembergischen Ort Marbach gesagt haben, an dem das Land sein Gestüt betreibt. Die Anekdote wird man sich hierzulande auch dann noch weitererzählen, wenn inzwischen hundertmal zu Recht geschrieben wurde, dass sie frei erfunden ist.

Als die Queen 1965 Stuttgart besuchte, hatte der letzte württembergische Monarch bereits vor 37 Jahren abgedankt. Doch Elizabeth II. erinnerte in ihrer Rede im Neuen Schloss daran, dass ihre Großmutter einst ihre Verwandten väterlicherseits in der näheren Umgebung Stuttgarts besucht hatte. In den Adern der Queen fließt also ein bisschen schwäbisches Blut – Stuttgart war berauscht und hingerissen.