Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Er hat eine etwas leichtere Form der Krankheit, trotzdem muss er bis zu 20 Tabletten am Tag nehmen. Vitamine, Nahrungsergänzungsmittel, Medikamente. „Im Vergleich zu anderen geht es mir gut.“ Hin und wieder trainiert er mit einer Sauerstoffmaske, um die Atemwege frei zu machen und die Lungenkapazität zu stärken. Dazu muss er stark auf Hygiene achten, denn Infekte können schwerwiegende Folgen haben: „Eine einfache Erkältung kann sich schnell zu einer komplizierten Lungenentzündung auswachsen.“

 

Er ist sich sicher, dass sein hartes Training die beste Medizin ist, um die Krankheit zu kontrollieren. Mit fünf Jahren begann er mit dem Rugby. Seine Eltern ermutigten ihn, die Ärzte unterstützten ihn und rieten ihm, an Kraft zuzulegen und sich viel zu bewegen, um die Atemwege am Laufen zu halten. Er spielte Rugby, Football, Tennis. Er legte an Kraft zu und konzentrierte sich bald auf Rugby. Heute wiegt der 27-Jährige stattliche 104 Kilo, verteilt auf 183 Zentimeter. „Viele Mukoviszidose-Kranke haben Probleme, Muskeln aufzubauen – das ist bei mir kein Problem.“

Charles ist ein Hooker, zu Deutsch: ein Hakler. Diese Aufgabe innerhalb eines Rugby-Teams ist kompliziert, stark vereinfacht gesagt ist der Hooker die entscheidende Figur im Gedränge, dieser genau definierten Rudelbildung im Rugby. Dort steht er in der ersten Reihe. Dazu kümmert er sich um die Einwürfe. Viele Muskeln und ein Stiernacken, um sich im Gedränge nicht zu verletzen, sowie Nervenstärke und Leidensfähigkeit gehören zum Anforderungsprofil. Nathan Charles hat von allem genug.

Er wird für Auswahlmannschaften nominiert, spielt mit 19 für den englischen Club Gloucester, von seiner Krankheit weiß zu diesem Zeitpunkt niemand. Die großen australischen Teams werden auf ihn aufmerksam. 2010 holt ihn das Team Western Force in die Super League, mit die beste Rugby-Liga der Welt. Dort spielen die Teams der südlichen Hemisphäre aus Südafrika, Neuseeland und Australien ihren Meister aus. 2008 gelingt ihm ein spektakulärer Versuch (Try) nach einem 80-Meter-Sprint übers Feld. Er wird in den erweiterten Kader der Nationalmannschaft berufen und schafft parallel zu seiner Profikarriere seinen Bachelor in Geschichte und Wirtschaft. 2011 macht er die WM-Vorbereitung mit, er schafft es aber nicht in den endgültigen Kader Australiens. 2012 bestreitet er alle 16 Spiele von Beginn an, am Ende der Saison wird er zum Spieler des Jahres seiner Mannschaft gewählt. Nach einer längeren Pause wegen Knieproblemen debütiert er im Juni 2014 im Spiel gegen Frankreich bei den Wallabies. „Wenn man sich die Symptome und üblichen Folgen von Mukoviszidose anschaut, sind das schlechte Aussichten für Sport“, sagte der Nationaltrainer Ewen McKenzie: „Nathan scheint alle Gesetze der Logik und Wissenschaft außer Kraft zu setzen.“