Russland hat sich zu lange auf die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft verlassen. Investitionen in neue Technologien und die eigene Industrie wurden dagegen vernachlässigt. Diese Monokultur rächt sich jetzt, meint StZ-Wirtschaftsredakteur Werner Ludwig.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Rund die Hälfte der russischen Staatseinnahmen stammt aus dem Verkauf von Öl und Gas. Solange der Ölpreis bei 100 Dollar oder mehr pro Fass lag, war das auch kein Problem. Im Gegenteil: der Energiehunger der Welt spülte Russland Jahr für Jahr Milliarden in die Kassen – und erlaubte es dem Land, einen beträchtlichen Devisenschatz anzuhäufen. Mit diesen Währungsreserven lassen sich die Folgen der gegenwärtigen tiefen Krise zumindest etwas abmildern. Den Sturzflug des Rubel konnte Moskau dennoch nicht bremsen, denn an den Märkten wachsen zu Recht die Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des russischen Wirtschaftsmodells. Wladimir Putins Reich gleicht in mancher Hinsicht eher einem Entwicklungsland als einem modernen Industriestaat.

 

Russlands Präsident hat sich von den Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft blenden lassen. Darüber hat er es versäumt, die Wirtschaft des Riesenlandes zu diversifizieren – etwa über verstärkte Investitionen in neue Technologien und Industrien, die eine höhere Wertschöpfung versprechen als der Verkauf unverarbeiteter Rohstoffe. Das hätte allerdings tiefgreifende Veränderungen der von unbeweglichen staatlichen Großunternehmen dominierten Wirtschaftsstruktur erfordert. Dass Putin dazu der Mut fehlte, liegt wohl auch daran, dass er dann nicht mehr so viele Schlüsselpositionen mit Günstlingen hätte besetzen können. Das Ergebnis ist eine Energie-Monokultur, die extrem abhängig von Konjunkturschwankungen ist. Wie es besser geht, haben einige arabische Ölstaaten gezeigt, die schon länger gezielt in westliche Unternehmen investieren.

Natürlich tragen auch die wirtschaftlichen Sanktionen erheblich zur derzeitigen Misere Russlands bei. Dass Putin deshalb in der Ukraine-Krise klein beigeben wird, ist trotzdem unwahrscheinlich. Er weiß um die Leidensfähigkeit seines Volkes, das sich in harten Zeiten traditionell hinter seine Führung stellt – auch wenn diese weiter in die falsche Richtung unterwegs ist.