Trotz der westlichen Sanktionen gegen sein Land versucht Russlands Wirtschaftsminister in Stuttgart, deutschen Unternehmen Investitionen in seine Heimat schmackhaft zu machen.

Stuttgart - Es ist in diesen Tagen nicht immer ein Vergnügen, Russe zu sein. In Deutschland müssen sich Studenten, Krankenschwestern und Ingenieure aus dem Riesenreich fast täglich für die Politik ihres Präsidenten verantworten. Wladimir Putin bekam von Angela Merkel erst unlängst mitgeteilt, was die Kanzlerin von ihrem Kollegen so hält. Das waren keine lobenden Worte. Alexei Uljukajew brauchte Unbill dieser Art nicht befürchten, als er am Dienstagabend bei der IHK Region Stuttgart seine Aufwartung machte. Der russische Wirtschaftsminister wurde mit warmem Applaus begrüßt, und nach seiner Rede mit mindestens ebenso freundlichem Beifall verabschiedet.

 

In der Politik reden sie sich die Köpfe darüber heiß, wie mit Russland umzugehen sei, in der Wirtschaft scheint es, als habe man den angebrachten Ton gefunden. Das wichtigste bleibe doch das gegenseitige Vertrauen, erklärt Uljukajew, und dass sein Land das selbe Russland sei, das seit 200 Jahren eng mit Baden-Württemberg befreundet ist.

Klaus Mangold, einst ein Jahrzehnt lang Vorsitzender des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft und heute Honorarkonsul der Russischen Föderation, sah das sehr ähnlich. 25 Milliarden Euro habe die Wirtschaft in Russland investiert, das könne man nicht so einfach aufgeben. Nun ist die aktuelle Krise zwischen dem Osten und dem Westen nicht zu negieren. Natürlich gelte da das Primat der Politik, sagt Mangold, allerdings mit einer Einschränkung: Entscheidungen müssten unter genauer Abwägung der Risiken aller getroffen werden – und unter „aller“ findet sich auch die Wirtschaft wieder.

„Maximal offen für Kooperation mit der EU“

Allen Sanktionsprogrammen der politischen Welt zum Trotz versuchte Uljukajew also den zahlreich versammelten Wirtschaftsgrößen aus der Region – und weit darüber hinaus – Investitionen in seiner Heimat schmackhaft zu machen. Die Kennzahlen seien weiter gut, der Rubelverfall gestoppt und Präsident Putin unterstütze das Bestreben, die Steuern in den nächsten Jahren nicht zu erhöhen.

Gegen bürokratischen Druck gebe es neue, wirkungsvolle Maßnahmen, Tarife für Eisenbahnfracht und Gasversorgung würden weitgehend festgeschrieben und in diversen steuervergünstigten Sonderwirtschaftszonen werde eine attraktive Infrastruktur geschaffen. Dass Russland wegen der Sanktionen des Westens eingeschnappt sei und sich nun China zuwende, das sei ein Mythos, sagt Uljukajew: „Nein, das machen wir nicht, wir glauben an internationale Wertschöpfungsketten und sind maximal offen für eine Kooperation mit der Europäischen Union“.

Russland und die Ukraine – man versteht unsere Handlungen nicht, sagt Uljukajew. 200 Milliarden Dollar habe man in den vergangenen Jahren in das Nachbarland transferiert, nun sei Russland „in etwas hineingetrieben worden, was niemand wollte“. Ja, es gebe Probleme, auf die gelte es nun Antworten zu finden, sagt der Wirtschaftsminister. Aus der augenblicklichen Loose-loose-Situation müsse wieder ein Win-win werden. Dialogbereitschaft und Vertrauen gehören dabei zu den besonders häufig benutzten ministeriellen Vokabeln – und der Hinweis, dass der Präsident das mit dem Vertrauen „sehr viel besser sagen könnte als ich“.

Stichwort: Helfer der Unternehmen

Notenbanker
Präsident Wladimir Putin hat im Juni des vergangenen Jahres den damaligen Vizegouverneur der russischen Notenbank, Alexej Uljukajew, zum Minister für Wirtschaftsentwicklung ernannt. Uljukajew erklärte, er sehe es als seine vorrangige Aufgabe an, eine Rezession zu verhindern. Dabei setzte er vor allem auf private Investitionen. Dafür wolle er die politischen Rahmenbedingungen verbessern.

Handel
Mehr als 6000 deutsche Unternehmen arbeiten derzeit in Russland, 1000 von ihnen stammen aus Baden-Württemberg. Das Handelsvolumen zwischen Russland und der gesamten Europäischen Union beläuft sich auf rund 430 Milliarden Dollar, das mit China beträgt rund 90 Milliarden.