Letzteres könnte Putin auch als Antrieb für neue innenpolitische Daumenschrauben werten, fürchten kritische Beobachter und ziehen Parallelen zum Herbst 2004. Nach dem Geiseldrama in der Schule von Beslan, bei dem mehr als 300 Menschen starben – die meisten waren Kinder – hatte Putin durch Verfassungsänderungen die Ernennung der bis dato direkt gewählten Verwaltungschefs der Regionen durch den Kreml durchgesetzt. Opposition und Zivilgesellschaft wurden durch eine Verschärfung von Partei- und  Vereinsgesetzgebung marginalisiert und der Druck auf unabhängige Medien verstärkt. Unvergessen ist auch die feindliche Übernahme des TV-Senders NTW durch den Staatskonzern Gazprom. Als Vorwand dienten Wirtschaftsstreitigkeiten, in Wahrheit war es ein Racheakt für eine ungeschminkte Berichterstattung über die Folgen der Geiselnahme, den Untergang des Atom-U-Boots Kursk und Moskaus zweiten Tschetschenienkrieg.

 

Die Rebellenrepublik Tschetschenien hatte sich 1991 von Moskau losgesagt, der damalige Präsident Boris Jelzin musste sie nach dem ersten Feldzug 1996 de facto in die Unabhängigkeit entlassen. Im Herbst 1999 nahm der gerade vom Geheimdienstchef zum Premier und damit zu Jelzins Nachfolger aufgestiegene Putin Anschläge auf Wohnhochhäuser in Moskau und anderen Großstädten mit Hunderten von Toten zum Vorwand für einen zweiten Tschetschenienkrieg. „Wir werden die Terroristen notfalls auf dem Lokus massakrieren“, tönte er damals. Nach den Anschlägen in Wolgograd drohte er, Russland werde „den Terrorismus gnadenlos bekämpfen“.  Der erste Schuss könnte schon bald nach den Spielen in Sotschi fallen. Nicht in Tschetschenien, das inzwischen mit umstrittenen Methoden befriedet wurde, wohl aber bei den Nachbarn im Nordkaukasus, wo radikale Islamisten Moskau zunehmend das Gesetz des Handelns aufzwingen.