Der Landkreis plant im Rutesheimer Gewerbegebiet an der Autobahnauffahrt eine Gemeinschaftsunterkunft für weitere 125 Flüchtlinge. Die Asylbewerber sollen im Frühjahr einziehen.

Rutesheim - Bei der Suche nach geeigneten Standorten für die Unterbringung von Flüchtlingen ist das Böblinger Landratsamt in Rutesheim fündig geworden. Im kommenden Frühjahr werden in der Margarete-Steiff-Straße im Gewerbegebiet nahe der Autobahn mehrere Wohncontainer für 125 Flüchtlinge errichtet.

 

Das in einer Sondersitzung des Gemeinderats beschlossene Vorhaben wurde bei einem Informationsabend am Mittwoch den Bürgern in der prall gefüllten Schulaula mitgeteilt. Bei der geplanten Gemeinschaftsunterkunft handelt es sich um eine sogenannte vorläufige Unterbringung. Das heißt: Hier bleiben die Asylbewerber so lange, bis über ihren Antrag entschieden wird – das kann bis zu zwei Jahre dauern.

Den Bau sowie die Betreuung der Schutzsuchenden verantwortet der Landkreis, wie Bürgermeister Dieter Hofmann erklärte. „Die Vermietung des Grundstücks wird durch die Stadt zunächst auf drei Jahre befristet, aber bei dringendem Bedarf muss diese verlängert werden.“

Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern

Auf rund 2000 Quadratmetern werden zwei zweigeschossige Wohncontainer aufgestellt. Dort sollen sowohl Familien als auch Einzelpersonen unterkommen. Nach Nationalität oder Religion wird nicht unterschieden. „Wir haben die beste Erfahrung gemacht, wenn es eine gemischte Belegung gibt“, betonte Alfred Schmid vom Sozialdezernat des Landratsamtes. Geplant sind gemeinschaftlich genutzte Küchen und Sanitärräume sowie ein Sozialraum für gemeinsame Aktivitäten. Außerdem wird die Stadt kostenloses W-Lan zur Verfügung stellen.

Dass der Landkreis dringend auf die Hilfe seiner 26 Städte und Gemeinden angewiesen ist, das machte Sozialdezernent Schmid deutlich. „Nach der Rekordzahl von 60 000 Asylanträgen in Baden-Württemberg in den 90er Jahren in Folge des Jugoslawienkriegs lag die Zahl vor fünf Jahren bei nur noch 5000”, berichtete er. Laut der jüngsten Prognose werden in diesem Jahr mehr als 104 000 Menschen einen Asylantrag stellen. „Das bringt das System an seine Grenzen“, betonte er. Daher hat das Landratsamt zunächst einmal für alle Städte und Gemeinden mit mehr als 9000 Einwohnern die Schaffung von Gemeinschaftsunterkünften vorgesehen, inzwischen sind alle Orte im Kreis davon betroffen. Außerdem soll im Schulungszentrum von IBM in Herrenberg eine Landeserstaufnahmestelle eingerichtet werden.

Ursprüngliche Fläche wurde zu klein

Dass die Stadt einen geeigneten Standort fand, ist nicht zuletzt zwei privaten Grundstücksbesitzern zu verdanken, die ihr Land angeboten hatten. Ursprünglich standen sechs Grundstücke zur Debatte. Der Rutesheimer Gemeinderat hatte sich zunächst für ein Grundstück mit rund 1250 Quadratmetern im Gewerbegebiet zwischen der Firma Kindler und dem Aussiedlerhof der Familie Weiß entschieden. Doch nachdem die Zahl der zugewiesenen Flüchtlinge von 84 auf 125 erhöht wurde, war diese Fläche zu klein.

In Rutesheim leben derzeit rund 70 Asylbewerber in dezentralen Anschlussunterbringungen – acht Gebäude gehören der Stadt, zwei sind gemietet und eine Wohnung ist im Besitz der evangelischen Kirche. „Damit sind wir Spitze im Landkreis, denn das sind wesentlich mehr als die vorgegebene Quote“, betonte Bürgermeister Hofmann, der die Flüchtlingsunterbringung zur Chefsache erklärte. Das Sankt-Florians-Prinzip „Flüchtlinge ja, aber nicht bei mir“ lasse er nicht gelten. „Mit mir als Bürgermeister ist es nicht anders zu haben“, versprach er und richtete einen Dank an den „Freundeskreis Flüchtlinge Rutesheim“.

90 Ehrenamtliche helfen, wo sie können

Dort nehmen sich derzeit rund 90 Ehrenamtliche der Neuankömmlinge an – in enger Abstimmung mit Natascha Bauer, die vom Rathaus inzwischen komplett für die Flüchtlingsarbeit abgestellt wurde. Neben Patenschaften übernehmen sie die Alltagsbegleitung oder bieten Unterstützung bei Sprachkursen.

Neben viel Lob für die Stadtverwaltung für ihre Bemühungen, die in der Flüchtlingsdebatte aufgekommenen Ängste der Bürger abzubauen, gab es in der anschließenden Diskussion auch kritische Worte zu der geplanten Unterbringung. „Wir können die Flüchtlinge doch nicht in menschenunwürdigen Wohncontainern dahinvegetieren lassen“, sagte ein Rutesheimer, der von „Flickschusterei“ sprach. Letztendlich wisse aber niemand, betonte Bürgermeister Hofmann, wie viele Schutzsuchende die Stadt noch aufnehmen müsse.