Dass die S-21-Tunnelbaustelle am Wartberg nun keine Schallschutzwand bekommt, sehen einige Anwohner kritisch. Zwar sei es positiv, dass deshalb nun nachts kein Abraum mehr abgefahren werde – allerdings hält etwas anderes nachts die Nachbarn wach: die Belüftungsanlagen für den Tunnel.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

S-Nord - Dass das geplante Lärmschutzdach für den Tunnelmund am Wartberg nun doch nicht kommen soll, davon haben die Anwohner der Stuttgart-21-Baustelle am Zwischenangriff Prag vergangene Woche erfahren. Die Bahn hatte Briefe verteilen lassen, in denen die Anwohner darüber informiert wurden. Der Hauptgrund für die Planänderung: Die Belüftungsanlage für die Einhausung wäre zu laut. Statt mit einem Dach soll der Lärm für die Anwohner nun mit veränderten Abläufen auf der Baustelle verringert werden. Zum Beispiel damit, dass zwischen 20 und 7 Uhr kein Aushub mehr aus dem Tunnel heraus- und abgefahren wird. Er wird im Tunnel zwischengelagert, und tagsüber über die Baustraße zur zentralen Baulogistikstraße gebracht. „Dadurch können nächtliche Aktivitäten auf der Baustelleneinrichtungsfläche vor dem Tunnelportal weitgehend vermieden werden“, schreibt die Bahn in einer Mitteilung zu diesen neuen Plänen, „zudem entfallen die nächtlichen Transporte zur zentralen Baulogistikfläche sowie die dortige Behandlung des Ausbruchsmaterials.“

 

„Auf Kosten der Anwohner wird gespart“

Dass nachts nicht mehr abgefahren werde, sei zunächst gut für die Anwohner, meint Ulrich Hangleiter aus dem Vorstand der Bürgerinitiative Netzwerk Killesberg und Umgebung. Die weitere Entwicklung müsse man erst einmal abwarten. Zumal die gestrichenen Nachtfahrten lediglich den Abraum betreffen – Anlieferungen, etwa für die Betonverschalung des Tunnels, sind davon nicht betroffen. Ein Nachbar am Wartberg kritisiert: „Wenn man auf die letzten zwölf oder 18 Monate zurückblickt, hat die Bahn mehrere Male angekündigt, Lärmschutzmaßnahmen vorzunehmen oder die Bauabläufe zu verändern. Passiert ist insgesamt wenig.“ Er habe den Eindruck, dass hier auf Zeit gespielt werde. Ein weiterer Anwohner ergänzt: „Das Schallschutzdach ist teuer. Es soll gespart werden – auf Kosten der Anwohner.“ Den Effekt der Einhausung wegen der Belüftung als „unwirksam hinzurechnen“, sei eine „Schweinerei“: „Auch für die Immissionen der Tunnelbelüftung gibt es zulässige Grenzwerte, und wenn diese nicht eingehalten werden, gibt es technische Möglichkeiten, den Lärm zu minimieren.“ Überhaupt biete die Planfeststellung der Bahn durch die vielen Worthülsen, die verwendet würden, „die Möglichkeit für teilweise absurdeste Auslegungen und Interpretationen“, meint der Anwohnern.

Die größten Probleme, insbesondere in den Nachtstunden, bereitet den Bürgern aktuell der Lärm der Belüftungsanlagen des Tunnels. Diese laufen nach Angaben der Anwohner auf Maximalleistung und werden unregelmäßig und für die Nachbarn wenig nachvollziehbar herauf- oder heruntergeregelt. „Das betrifft nicht nur die direkten Anwohner, sondern auch Leute im weiteren Umkreis“, berichtet Ulrich Hangleiter. Die Bahn habe dazu bisher nur wenig Auskunft geben können, sagt ein Anwohner. „Wenn die Lüfter bei weiterem Baufortschritt mit noch höherer Leistung betrieben werden müssen, lässt dies zudem nichts Gutes erwarten.“

Belüftungsanlagen sind bereits gedämmt

Die Belüftungsanlagen seien bereits „schalltechnisch hoch gedämmt“, sagt Jörg Hamann, Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm. „Gleichwohl sind wir nochmals im intensiven Austausch mit dem Auftragnehmer über die exakt bedarfsgerechte Steuerung der Lüftungsleistung“, ergänzt er. „Im Hinblick auf die Abluft aus dem Tunnel prüfen wir kurzfristig weitere technische Maßnahmen wie etwa den Einsatz von Sprühnebel, um die Schwebstoffe aus der Luft zu binden.“

Die nächtlichen Anlieferungen, die weiterlaufen sollen, würden auf „das absolut nötige Minimum beschränkt“, so Hamann. „Erforderlich ist insbesondere die Anlieferung von Spritzbeton zur Tunnelsicherung, die sich aber auf einige wenige Fahrten pro Nacht beschränken wird.“ Alle sonstigen Fahrten zur Versorgung der Baustelle sollen tagsüber erledigt werden. Auch etwaige Reparaturen von Baufahrzeugen sollen „nachts soweit möglich unter Tage stattfinden“, um den Lärm für die Anwohner gering zu halten.