Weil ein Mädchen versehentlich in der ersten Klasse reiste, soll ein Kontrolleur sie zur Strafe in Österfeld aus dem Zug geworfen haben. Die Bahn hat sich bislang nicht bei der Familie entschuldigt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Stuttgart - Eigentlich sollte es ein Schritt Richtung Selbstständigkeit werden. Doch die erste Zugfahrt ohne Begleitung der Eltern endete für eine Zwölfjährige aus dem Raum Esslingen äußerst unerfreulich – und mit einer Anzeige des wütenden Vaters gegen die Deutsche Bahn.

 

„Das Mädchen war von Böblingen nach Esslingen mit der S-Bahn unterwegs“, berichtet der Großvater des Kindes. Die Familie will ihren Namen nicht nennen. Das Mädchen hatte Ende Mai eine Freundin besucht und wollte die Rückfahrt erstmals allein antreten, statt sich abholen zu lassen. Den Fahrplan hatte sie im Kopf, das Ticket in der Tasche. Doch aus Versehen setzte sich das Kind in die erste Klasse der S-Bahn. „Der Schaffner hat dem Mädchen dafür mit einer Geldstrafe gedroht“, berichtet der Großvater. Danach soll der Bahn-Mitarbeiter die Taschen des Kindes beim nächsten Halt auf den Bahnsteig gestellt und das Mädchen nach Aussage der Familie des Zuges verwiesen haben. „An der Haltestelle Österfeld stand sie dann samt ihres Gepäcks allein an der Haltestelle“, berichtet der Großvater. Auch das Angebot anderer Fahrgäste, den Fehlbetrag zum Erste-Klasse-Ticket noch zu bezahlen, soll der Mitarbeiter der Bahn ausgeschlagen haben.

Minderjährige dürfen nicht der Züge verwiesen werden

„Solche Meldungen nehmen wir sehr ernst“, betont ein Pressesprecher der Bahn auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung und fügt an: „Es laufen interne Untersuchungen.“ Es sei klar geregelt, dass Minderjährige nicht aus Zügen verwiesen werden dürfen, heißt es weiter. „Das muss eigentlich jeder Mitarbeiter wissen“, so der Sprecher.

Dass es der Bahn wichtig ist, den Vorfall aufzuklären, daran hat die Familie der Zwölfjährigen allerdings erhebliche Zweifel. „Wir haben uns zunächst einfach an die Bahn gewandt mit der Bitte um eine Erklärung“, berichtet der Großvater. „In der Antwort hieß es, man habe Wichtigeres zu tun.“ Daraufhin hat der Vater des Kindes einen Brief geschrieben und um eine Entschuldigung durch den Mitarbeiter gebeten, der seine Tochter aus dem Zug geworfen hat. „Da hat man uns mitgeteilt, das sei derzeit nicht möglich“, so der Großvater. „Sollte es tatsächlich ein Fehlverhalten gegeben haben, wird das arbeitsrechtliche Konsequenzen haben“, kündigt der DB-Sprecher an. Momentan sei das jedoch noch nicht geklärt, so der Pressesprecher weiter. Und eine Entschuldigung könne es auch nur dann geben, wenn die internen Untersuchungen abgeschlossen sind und es ein Ergebnis gibt. „Wir werden uns nur entschuldigen, wenn es auch einen Grund dafür gibt“, so der Pressesprecher.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt

Untersucht wird der Vorfall inzwischen nicht mehr allein durch die Bahn. Der Vater des Mädchens hat Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart gestellt. Deren Sprecher Stefan Biehl bestätigt: „Die Anzeige ist eingegangen, und wir haben die Ermittlungen aufgenommen.“ Zum aktuellen Stand könne man keine Angaben machen.

Aus Sicht der Familie des Mädchens hat die Bahn gleich in zweifacher Hinsicht strafbar gehandelt. „Zum einen ist es eine Form der Nötigung, das Gepäck auf den Bahnsteig zu stellen und einen Reisenden damit zum Ausstieg zu drängen“, so der Großvater. „Zweitens ist die Bahn ihrer Beförderungspflicht nicht nachgekommen – und das bei einer Minderjährigen.“