Das Ein- und Aussteigen mit Kleinkindern hat an der S-Bahn seine Tücken - das zeigt ein Zwischenfall im Stuttgarter Hauptbahnhof.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Der kleine Konstantin wollte schon so lange S-Bahn fahren. Immer wieder hatte der Vierjährige seine Mama gefragt. Wegen eines Zwischenfalls im Hauptbahnhof ist dem Jungen das S-Bahn-Fahren dann gehörig vergangen.

 

Am Mittwoch machte sich Angelika Nuding mit Konstantin und dem zwei Jahre alten Valentin, der noch im Buggy geschoben wird, in dem Schorndorfer Ortsteil Richtung Stuttgart auf. Dort, so der Plan, wollte man nach der Erlebnistour den Papa bei der Arbeit in Feuerbach abholen. Alles lief wie gewünscht. Der Vierjährige hatte seinen Spaß zuerst im Bus, und die S-Bahn-Fahrt war ein rechtes Kinderabenteuer. Bevor der Zug planmäßig kurz nach 17 Uhr im Hauptbahnhof tief einfuhr, sagte die Mutter noch zu ihrem Großen: "Jetzt steigen wir aus, da müssen wir aufpassen." Erwartungsvoll stand der Vierjährige vor dem Halt an der geschlossenen Waggontür, wie stets hielt er sich brav am Buggy seines Bruders fest.

Solche Vorfälle seien selten, sagt die Bahn

Und dann das: Plötzlich war der kleine Konstantin verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. "So schnell konnte ich gar nicht schauen, wie das Kind weg war", erzählt die 29 Jahre alte Mutter. Mit einem der ersten Schritte muss der Vierjährige in die Spalte zwischen dem S-Bahn-Waggon und dem Bahnsteig gefallen sein, und zwar komplett, von dem Jungen war nichts mehr zu sehen. Aus Angst, der Zug könnte gleich weiterfahren, rief die entsetzte Mutter aus Leibeskräften in Richtung Zugführer, die Bahn dürfe auf keinen Fall weiterfahren. Zum Glück griffen sofort zwei Fahrgäste, eine Frau und ein Mann, beherzt ein, warfen sich auf den Boden des Bahnsteigs und zogen den schreienden Jungen heil wieder aus der dunklen Spalte.

Die Bundespolizei bestätigte den Vorfall. Zwei Beamte waren auf den Tumult aufmerksam geworden. Einer von ihnen soll der Mutter gesagt haben, dass es Zwischenfälle wie diesen auf Bahnsteigen immer wieder mal gebe und dass sich auch Erwachsene am Bein verletzen können. Ein Sprecher der Bahnpolizei wollte das nicht bestätigen. "Da müssen wir lange zurückdenken, dass so etwas vorgekommen ist", sagte er. Unfälle wie dieser könnten überall passieren, genauso etwa auf Rolltreppen. "Wir sind froh, dass dem Kind nichts passiert ist", sagte der Sprecher. Baulich sei an der S-Bahn-Station im Hauptbahnhof alles in Ordnung. "Die Anlage ist vom Eisenbahnbundesamt abgenommen worden", betonte der Sprecher der Bundespolizei.

Neue Fahrzeuge überbrücken die Spalte

Die Bahn stellt die Dinge anders dar. Laut des Fahrzeugführers und des übrigen Personals sei der Junge nicht beim Aussteigen, sondern beim Entlanglaufen am Wagen in die Spalte gefallen, sagt Bahn-Sprecher Roland Kortz. In jedem Fall aber hätten die Eltern bei einem so kleinen Kind die Pflicht, im Bahnhof entsprechend aufzupassen. Die Lücke zwischen Bahnsteig und Wagen sei im Hauptbahnhof jedenfalls zulässig. "Die misst 14 bis 15 Zentimeter und dürfte auch breiter sein", sagt Kortz.

Dass die Verhältnisse aber grundsätzlich durchaus verbesserungsfähig sind, das lässt sich daran ablesen, dass S-Bahn-Fahrzeuge neueren Typs im Eingangsbereich eine ausfahrbare Spaltenüberbrückung haben. Solche Waggons kommen auch in Stuttgart in absehbarer Zeit zum Einsatz. "Die 430er S-Bahnen, die wir von Juli 2013 an bekommen, haben eine Spaltenüberbrückung", sagt Roland Kortz.

Noch am Tag nach dem Vorfall steckt Angelika Nuding der Schreck in den Knochen. Wenn die 29 Jahre junge Mutter daran denkt, was am Mittwoch alles hätte passieren können, wird es ihr ganz anders. Deshalb warnt sie alle, die mit kleinen Kindern in der S-Bahn unterwegs sind, vor dieser Gefahrensituation. Der kleine Konstantin, der sich zum Glück nur eine Schürfwunde an der linken Augenbraue zugezogen hatte, hat nach diesem Vorfall allerdings entschieden: S-Bahn will er nie wieder fahren.

Hintergrund: So sieht es bei den SSB aus

Stadtbahn

In den Bahnhöfen der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) sind die Abstände zwischen den haltenden Zügen und den Bahnsteigkanten offensichtlich geringer als bei der S-Bahn. Zwischen acht und zehn Zentimeter breit sei der Spalt zwischen den Fahrzeugen und den Bahnsteigen in den Stationen in der Regel, sagt die SSB-Sprecherin Birte Schaper, höchstens aber zwölf Zentimeter. Die Betriebsverordnung lasse allerdings bis zu 25 Zentimeter zwischen Tür und Bahnsteigkante zu.

Charlottenplatz Diese Stadtbahnstation ist aus technischen Gründen etwas gekrümmt, was eine Ursache für größere Abstände ist. Deshalb befindet sich dort an der schmalsten Stelle des Spalts eine Informationstafel: "Rollstuhlfahrer bitte hier einsteigen".