Zwischen Sindelfingen und Maichingen (Kreis Böblingen) ist es am Samstagvormittag zu einem schweren Unfall auf der Bahnstrecke der S60 gekommen. Zum Glück kein Ernstfall, sondern eine Übung von Feuerwehr und Rettungskräften.

Zwischen Sindelfingen und Maichingen (Kreis Böblingen) ist es am Samstagvormittag zu einem schweren Unfall auf der Bahnstrecke der S60 gekommen. Zum Glück kein Ernstfall, sondern eine Übung von Feuerwehr und Rettungskräften.

 

Sindelfingen - Ganz realistisch ist das Szenario der Übung am Samstag nicht gewesen: Entlang der Bahnstrecke zwischen Sindelfingen und Weil der Stadt gibt es, anders als bei der Schönbuchbahn, keinen Bahnübergang mehr. Einen Unfall wie in der Simulation – Bahn kollidiert mit Auto – werden die Helfer kaum mehr vorfinden. Es sei denn, ein Auto stürzt von einer Überführung auf die Gleise. Tatsächlich hat sich allerdings so ein seltener Unfall 1998 an genau jenem Gleisabschnitt bei der Kleingartenanlage Ochsenallmende, an dem nun eine der größten Katastrophenübungen der vergangenen Jahre geprobt wurde, schon einmal ereignet. Damals ist eine Frau mit ihrem Wagen von der Adenauer-Straße gerutscht und ums Leben gekommen.

Doch um absolute Realitätstreue ging es den Helfern auch nicht. Vielmehr wollten die Einsatzkräfte aus den Gemeinden entlang der Strecke das Zusammenspiel mit der Bahn testen. Noch bevor die S 60 im Vorjahr in Betrieb gegangen ist, hatten die Feuerwehren aus Magstadt und Maichingen sich bei einem Workshop mit dem Notfallmanager der Bahn AG auf mögliche Unfallszenarien vorbereitet. Als klar war, dass die Strecke an drei Wochenenden gesperrt wird, schlug das Unternehmen ihnen vor, dies für eine Übung zu nutzen.

Und so kam es, dass um 9.58 Uhr am Samstag ein Auto auf dem Gleis lag und rauchte, eine voll besetzte S-Bahn blockierte und ein mehrstündiges Martinshornkonzert zahlreiche Zuschauer anlockte. Die erste Schadensmeldung für die Helfer lautete: zwei Verletzte im Wagen, mindestens 20 weitere in der Bahn, dazu ein Kanister mit Gefahrgut im Kofferraum des qualmenden Autowracks.

Die Verletzten wurden von der Jugendfeuerwehr gespielt

Ein Bahnunfall, erklärte der Kreisbrandmeister Guido Plischek, stelle die Helfer vor besondere Probleme: Denn es gebe genau genommen zwei Einsatzorte, einen auf jeder Seite des Zuges. „Und je länger dieser ist, desto weniger Kommunikation zwischen den beiden gibt es“, weiß er aus Erfahrung. Zur Tat schreiten könnten die Helfer zudem erst, wenn auf der Oberleitung keinen Strom mehr sei und auch das Nachbargleis gesperrt. Beides muss der Bahn-Notfallmanager veranlassen – am Samstag war er in zehn Minuten vor Ort.

„Das geht erfahrungsgemäß immer schnell“, sagt Jürgen Stäbler von der Magstädter Feuerwehr gelassen. Er hat vor Jahren einen ähnlichen Unfall erlebt. Ein Autofahrer hatte den Bahnübergang bei Magstadt verfehlt. Damals war die Oberleitung beschädigt und hatte geerdet werden müssen. Bei einem solchen Szenario könne es mitunter lange dauern, bis die Helfer zu den Verletzten in der Bahn vordringen könnten, sagte Stäbler. Am Samstag aber öffneten die Helfer die Türen der Bahn schnell und transportierten die Verletzten – von der Jugendfeuerwehr gespielt – mit Hilfe von Draisinen in eine benachbarte Halle ab, in der eine provisorische Krankenstation aufgebaut worden war.

Auch der Kommandant, der einen solchen Einsatz leitet, wird mit der Verantwortung nicht allein gelassen. Mitglieder der kreisweiten Führungsgruppe koordinieren im Hintergrund Teilaufgaben. An der Seite des Einsatzleitungsfahrzeuges notierten Helfer an diesem Morgen auf Folien jedes Detail. Das sogenannte Einsatztagebuch ist wichtig für Ermittlungen, die eine Katastrophe nach sich zieht, wenn beispielsweise jemand ums Leben kommt.

Übung klappt reibungslos, dennoch Verbesserungsbedarf im Detail

Auch in diesem Szenario gab es einen fiktiven Toten zu beklagen: der im Autowrack eingeklemmte Beifahrer. Die Zahl der Verletzten ist am Ende ebenfalls deutlich höher als anfangs angenommen – rund 40 Menschen sind bei dem Aufprall verletzt worden. „So viele Verletzte können nicht einfach ins nächstbeste Krankenhaus gefahren werden – da müssen wir vorab Kapazitäten abfragen“, erklärte Stäbler, der zur Führungsgruppe zählt. Anschließend gelte es, besorgte Angehörige abzufangen und sich um sie zu kümmern.

All dies hat am Samstag offenbar reibungslos geklappt, wie auch der Einsatzleiter Rainer Just von der Sindelfinger Feuerwehr bei der Nachbesprechung bilanzierte. Im Detail gibt es dennoch Verbesserungsbedarf: Erst bei der Übung ist den Hilfskräften klar geworden, wie wichtig mehr Draisinen wären, um die Verletzten zügiger abtransportieren zu können.

Der Erfolg der Übung zeige dennoch, sagte der Kreisbrandmeister Guido Plischek, dass die Überarbeitung der Einsatzpläne richtig gewesen sei. Ihr solle eine technische Umrüstung folgen. Per Tablet-Computer könnten die Einsatzleiter spätestens in zwei Jahren auf eine zentrale Datenbank im Regierungspräsidium zugreifen, um Spezialausrüstung anzufordern. „Dann werden wir eine der modernsten Führungsgruppen bundesweit sein.“

Unser Fotograf war dabei. Seine Bilder zeigen wir in der Galerie.