Am zweiten Tag der Erörterung über das Grundwassermanagement beim Bahnprojekt Stuttgart 21 ist vor allem die Methodik der Bahn diskutiert worden. Experten von BUND und Bahn lieferten sich einen hitzigen Schlagabtausch.

Stuttgart - Dass der Verhandlungsleiter Michael Trippen problemlos zwischen den vielfältigen Themen springen und auf die Anliegen der jeweiligen „Antragsteller“ eingehen kann, hat er am zweiten Erörterungstag unter anderem kurz vor der Mittagspause bewiesen. „Thailändisches Gemüsecurry mit Duftreis“ gebe es im Restaurant am Wasser, teilte der wegen seiner ruhigen und fachkundigen Verhandlungsführung von allen Seiten gelobte Regierungsdirektor den versammelten Bürgern und Vertretern der Institutionen auf Bitte des Messecaterers mit. Alternativ werde auch Kassler mit Rosmarin, Sauerkraut und Senfsauce gereicht.

 

Davon abgesehen ist am zweiten Verhandlungstag nach einigem Anlauf und der Abhandlung der Formalien und Anträge zum Auftakt dann endlich auch über die mit der Planänderung verbundenen Fachthemen diskutiert worden. Allen voran über die so genannten Grundwasserströmungsmodelle von Stuttgart 21, an denen sich am Nachmittag ein erbitterter Expertenstreit entzündet hat. Im Auftrag des Naturschutzverbandes BUND sind die beiden verwendeten Modelle zur Prognose von Auswirkungen von einem Sachverständigen für Geologie und Grundwasser analysiert worden. Der kam zu dem Ergebnis, dass sie „auf unrichtigen und unrealistischen Grundannahmen basieren, in wesentlichen Belangen nicht nachvollziehbar und überprüfbar sind und nicht dem Stand der Technik entsprechen“, so Josef Lueger vom Ingenieurbüro für Technische Geologie im österreichischen St. Leonhard am Forst.

Das Grundwassermodell bilde weder die Realität richtig ab, betonte Lueger, noch liefere es zuverlässige Prognosen. Es könne daher nicht als Grundlage für das geplante Grundwassermanagement dienen. Unter anderem würden beide Modelle auch vielfach die definierten Abweichungsgrenzwerte zwischen berechneten und gemessenen Grundwasserständen und Quellschüttungen überschreiten. Zudem seien auch grundlegend mathematisch-geometrische Fehler vorhanden. Daher könnten auch keine zuverlässigen Aussagen zu Hangrutschen und Gebäudestabilität auf Basis des Modells getroffen werden.

Hitziger Schlagabtausch um das Strömungsmodell

Das eigentliche Strömungsmodell ist von einer von der Bahn beauftragten Arbeitsgemeinschaft entwickelt worden, die ihr Vorgehen verteidigte. Mit Hilfe des Modells sollen während der siebenjährigen Bauphase mögliche Auswirkungen auf den Boden, die Heil- und Mineralquellen sowie die Geologie prognostiziert werden, die auftreten könnten, wenn 6,8 statt wie ursprünglich geplant rund drei Millionen Kubikmeter Grundwasser abgepumpt werden müssen. Zur Ermittlung der Datengrundlage seien eine Vielzahl an Erkundungsbohrungen und Untersuchungen durchgeführt worden, die fundierte Prognosen zulassen würden, so der Geologe Theo Westhoff. Das Strömungsmodell sei nach allen einschlägigen Regeln der Technik entwickelt worden. Die Verhältnisse im Boden könnten damit hinreichend genau dargestellt werden. Die Vorwürfe seien hanebüchen, erklärte auch Frank Wenderoth, ebenfalls Geologe, der das instationäre Modell der Bahn zuvor im Plenum vorgestellt hatte.

Vor dem hitzigen Schlagabtausch der Experten von BUND und Bahn war lange heftig um die weitere Vorgehensweise gestritten worden. Rechtsanwalt Josef-Walter Kirchberg, der die Bahn vertritt, hatte beantragt, dass die Folien des Vortrags noch einmal vorgelegt werden, damit die Sachverständigen zu einzelnen Vorwürfen Stellung beziehen können. BUND-Regionalgeschäftsführer Joachim Pfeifer hatte daraufhin verlangt, dass die Bahn im Gegenzug alle Unterlagen über das Strömungsmodell aushändigt, wozu diese sich aber nicht „nötigen“ lassen wollte, so Kirchberg.

Kritiker befürchten Gefahren für Mineralwasser und Gebäude

Das zweite im BUND-Gutachten als „unbrauchbar“ ausgewiesene Strömungsmodell wurde parallel im Auftrag des Landes entwickelt. Beteiligt daran waren auch Experten des Landesamts für Geologie in Freiburg und des Stuttgarter Umweltamts mit Professor Gerd Wolff an der Spitze. Damit sollen die Prognosen und Daten der Bahn bezüglich der Wasserhaltung während der Arbeiten an Stuttgart 21 überprüft werden. Die Funktionsweise des Modells, das auf den gleichen Daten basiert, aber mit anderer Software als das Strömungsmodell der Bahn arbeitet, war zuvor von Gerd Hofmann vom Regierungspräsidium erläutert worden. Wenn beide Modelle ordentlich laufen, wovon auszugehen sei, so der im Umweltamt für den Grundwasserschutz zuständige Sachgebietsleiter Gerd Wolff, „sollte die Qualität der Prognosen möglicher Auswirkungen deckungsgleich sein“. Die dafür erhobenen Daten seien auch durch einen Langzeitpumpversuch von fünf Tagen, über dessen Aussagefähigkeit ebenfalls lange gestritten wurde, abgesichert worden.

In einzelnen Gruben im Mittleren Schlossgarten muss das Grundwasser für den Bau des Tiefbahnhofs um bis zu zwölf Meter abgesenkt werden, um den Rohbau im Trockenen betonieren zu können. Für die Verlegung des Nesenbach-Dükers muss der Grundwasserpegel laut Planfeststellungsunterlagen sogar um 15 Meter abgesenkt werden. Kritiker befürchten dabei Gefahren für das Mineralwasser und die Stabilität von Gebäuden im betroffenen Gebiet.