Franziska Tiedtke lernte einst am Böblinger Albert-Einstein-Gymnasium Fagott. Entdeckt wurde sie allerdings im Ballettunterricht – als sie ihrer Lehrerin vorsang. Heute ist sie als Sopranistin am Stadttheater Pforzheim zu sehen und zu hören

Schönaich - Als sie sich von Schönaich aus aufgemacht hat, die Bühnen der Welt zu erobern, wusste Franziska Tiedtke noch nicht, wo es hingehen sollte: „Ich habe mir nie ein konkretes Haus vorgestellt. Ich habe mir immer nur vorgestellt zu singen.“ Wobei immer eigentlich auch nicht stimmt. Bevor sie sich in Frankfurt an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst für die Studiengänge Musiktheater und Gesangspädagogik einschrieb, schwebte ihr nicht unbedingt eine Gesangskarriere vor – es hätte seinerzeit auch ein Medizinstudium werden können. Heute kann man die Sopranistin an der Pforzheimer Oper als Eliza Doolittle oder in Mozarts „Entführung aus dem Serail“ bewundern.

 

Geboren ist Franziska Tiedtke in Böblingen. Ihr Vater ist als Bauingenieur viel unterwegs, die Familie verschlägt es erst in die Wüste Libyens, dann weiter nach Hongkong. Mit fünf Jahren fängt sie an, Klavier zu spielen. Zu ihrer Einschulung kehrt die Familie nach Schönaich zurück. Dort wird in der Schule der Grundstein für ihre spätere Karriere gelegt: „Die Musiklehrer haben meine Begeisterung für die Musik erst entfacht.“ Auf dem Böblinger Albert-Einstein-Gymnasium belegt sie den Musikzug und lernt Fagott, zudem nimmt sie Ballettunterricht und macht Jazzdance. Gesungen hat sie auch damals schon gerne, „aber das stand nicht im Mittelpunkt. Da war das Orchester, der Tanz.“

Die Ballettlehrerin ist von ihrer Stimme begeistert

Der Weg zur Oper führt schließlich über den Ballettunterricht: Mit 17 singt sie ihrer Ballettlehrerin vor. Die ist so begeistert, dass sie ihre Elevin direkt an Hildemarie Keim vermittelt, seinerzeit Leiterin des Kinderchors an der Stuttgarter Staatsoper. Auch die ist vom Gesang der Ballettschülerin angetan – und bildet sie aus. Bei ihr nimmt Franziska Tiedtke auch heute noch Unterricht: „Hätte ich diese Frau damals nicht kennengelernt, würde ich heute nicht singen. Sie hat mir das beigebracht, was ich kann.“

Ein großer Rückhalt sei Hildemarie Keim auch heute noch, erzählt Franziska Tiedtke, neben ihrer Familie und ihrem Freund. Der betreibt das Böblinger Filmzentrum Bären, wo regelmäßig Opernaufführungen aus der Metropolitan Opera in New York live übertragen werden. Selbstverständlich schaue sie sich die gerne an, wie sie auch gerne noch in die Oper gehe – wenn sie denn die Zeit dafür finde.

Drei bis fünf Premieren in jeder Spielzeit

In jeder Spielzeit stehen drei bis fünf Premieren an, immer vier bis sechs Wochen vorher beginnt die Probenphase. Das heißt, zwei Proben am Tag, von 10 bis 14 Uhr und von 18 bis 22 Uhr, je nach Größe der Rolle auch mal weniger, hinzu kommen Aufführungen und Konzerte. Der Tag fängt aber schon zwei, drei Stunden früher an, damit die Stimme Zeit hat, wach zu werden. Vor den Proben singt sich Franziska Tiedtke noch ein, doch das sei eine individuelle Sache: „Manche husten zweimal, manche brauchen länger.“ Nach der Mittagspause muss sie Texte durchgehen, auswendig lernen, Stimmübungen machen. Anschließend geht es wieder zur Probe – oder, wenn eine Aufführung ansteht, in die Maske. Bis der Arbeitstag endet, kann es dann schon mal Mitternacht werden. Hinzu kommen Training und Ruhephasen für die Stimme, damit die den Strapazen gewachsen ist.

Da sei viel Verständnis von der Familie gefordert. Auch angesichts der jährlichen Unsicherheit ob der beruflichen Zukunft: Üblich sind in der Branche Jahresverträge für eine Spielzeit, immer zum Jahreswechsel entscheidet sich, wo und wie es weitergeht. Und das bedeutet auch, jedes Jahr aufs Neue für ein Engagement vorzusingen. „Bei einem Vorsingen ist es im Grunde wie bei einem Casting im Fernsehen, nur auf einem anderen Niveau“, sagt Franziska Tiedtke, in deren Metier das Alter ein Betriebsgeheimnis ist. Zwar gebe es in Deutschland die meisten Opernhäuser weltweit, aber eben auch sehr viele gute Sänger. Und so kann es eben sein, dass die Familie in Schönaich lebt, das nächste Engagement aber in Stralsund winkt.

Am liebsten würde sie aber in Pforzheim bleiben, nicht nur wegen der Familie. Für den Anfang ihrer Karriere sei die dortige Oper ideal: „Weil ich alles machen muss, aber auch alles machen darf.“ Mozarts Konstanze etwa hätte sie an einem großen Haus wie dem Stuttgarter jetzt noch nicht bekommen – und das wäre doch schade.