Kultur: Tim Schleider (schl)

Dann wieder ein kleiner Moment, da man denkt, holla, jetzt kommt die Waldfee. Auf einem Fahrrad düst Brigitte Hobmeier auf die Bühne, jung und frisch fährt sie um ihren Geliebten herum. Enorme Spannung. Doch dann steigt sie auch schon ab und bekommt lange rote Gewänder verpasst, wedelt mit dem Haar, wedelt mit dem Stoff, schwingt die Beine, verfällt zuverlässig in diesen ewigen zehrenden, zieselnden, girrenden, gurrenden Tonfall der ewigen „Jedermann“-Buhlschaft.

 

Der angeblich frische Blick von Brian Mertes und Julian Crouch macht den neuen „Jedermann“ letztlich katholischer als zuvor. Ihr Theater präsentiert sich als fröhlich-befreiend naiv. Aber in Glaubensdingen ist Naivität nun mal nur ein Durchgangsstadium und verlässliche Fröhlichkeit ohne vorhergehenden Zweifel nicht zu haben. Alle latent ein wenig fremden, verfremdenden Elemente des Abends, die Masken, die Musik, entpuppen sich als bloße Deko. Der Kern wird so fromm, wie es sich der alte und der neue Papst nur wünschen können. Als die Handlung auf den Glauben zu sprechen kommt, der nötig ist, um beruhigt in den Tod zu gehen, wird der Dom prompt von innen erleuchtet. Und zum Schlussbild läuten die Glocken, so dass die Zuschauer sich gar nicht trauen, zu klatschen, obwohl die Schauspieler schon zum Verbeugen bereit stehen. Es ist eine Messe.

Peter Lohmeyer spielt den Tod, Jürgen Tarrach den Mammon, Johannes Silberschneider den armen Nachbarn, Hans Peter Hallwachs den Glauben, Julia Gschnitzer Jedermanns Mutter. Was für Namen. Das Premierpublikum jubelt zum Abschluss. Dieser „Jedermann“ hält sicher ein weiteres Jahrzehnt. Er ist abwaschbar.