Es gibt keine Fernsehserie, die derzeit mehr Aufsehen erregt als „Homeland“. Die US-Serie erzählt virtuos von dem lauernden Verhältnis zwischen einem Kriegsheimkehrer und einer CIA-Agentin. Am Sonntag läuft die erste, mit Grammys überschüttete Staffel auf Sat 1 an.

Stuttgart - Kriegshelden sind Gold wert. Mit ihrer Hilfe kann man die ein oder andere heikle politische Entscheidung verkaufen. In der US-Serie „Homeland“, deren deutsche Ausstrahlung am Sonntag bei Sat 1 beginnt, bekommen die USA einen Kriegshelden in Zeiten, in denen sie dringend einen brauchen. Der Marine-Sergeant Nicholas Brody kehrt aus dem Irak nach Hause zurück, nach acht Jahren, in denen ihn die meisten Menschen, am Ende auch seine Frau und seine Kinder, für tot hielten. Aber Brody befand sich in Händen der Al-Kaida.

 

Bei einem Angriff des US-Militärs auf ein Versteck islamistischer Rebellen ist er zufällig entdeckt worden, eine zerlumpte, wirrbärtige, verdreckte Gestalt in einem dunklen Raum. Zu Hause aber scheint er sich schnell zu erholen. Hoch aufgerichtet steht er in makelloser Uniform vor den Kameras. Medien und Politiker würden Brody gern als Symbol amerikanischer Unbezwingbarkeit vermarkten. Dass er Folter und Isolation überlebt hat, könnte dem Land wieder die Zuversicht geben, der sich seit Jahren hinziehende Krieg gegen den Terror sei am Ende sinnvoll und richtig.

Aber „Homeland“ ist nicht deshalb eine der meistdiskutierten Serien des US-Fernsehens geworden und hat nicht deshalb bei der Emmy-Verleihung mit neun Nominierungen und sechs Siegen die Konkurrenz deklassiert, weil sie Amerika nun neue Helden schenken würde. Nein, das tut „Homeland“ nicht. Im Gegenteil: die Serie sprengt Heldendenkmäler in die Luft.

Arbeiter der US-Sergeant für Al-Kaida?

Der vom Briten Damian Lewis mit einer frostige Kälte, wunde Verletzlichkeit und rasende Wut umfassenden Differenziertheit gespielte Brody ist nämlich nicht so wunderbar regeneriert, wie es bei den wenigen hochoffiziellen Pflichtterminen den Anschein hat. Im Privaten hangelt er sich offenbar am Rand des Zusammenbruchs entlang, da hat er mit nachgerade körperlichen Erinnerungsschüben zu kämpfen, die ihn aus dem Hier und Jetzt reißen. Doch vielleicht ist dieser Brody ja gar kein aus den Klauen von Al-Kaida befreiter Marine-Sergeant mehr. Die CIA-Mitarbeiterin Carrie Mathison (Claire Danes) jedenfalls misstraut ihm vom Fleck weg. Sie hat eine vage Information, das Terrornetzwerk habe einen US-Soldaten zur eigenen Sache bekehrt und wolle ihn nun wieder in die USA einschleusen. Sie ist bald – wenn auch als Einzige – überzeugt, Brody sei just dieser Verräter mit Terrorauftrag.

Die erste Staffel von „Homeland“ schürt nun virtuos Zweifel an Brodys Integrität und unterminiert zugleich die staatstragende Wachsamkeit. Denn Carrie Mathison ist psychisch krank, was sie ihrem Dienstherrn verschweigt, sie packt ihren Alltag nur, weil sie heimlich Psychopharmaka schluckt. Ist ihre mit illegalen Mitteln betriebene Jagd auf Brody also nur ein Ausbruch schlimmster Paranoia?

„Homeland“ zieht mithin alles in Zweifel, zeigt Gewissheiten als Illusionen und problematisiert all das, was politische Propaganda so gerne als positiven Wert zeigt. Brodys Familie zum Beispiel ist alles andere als die Kraft spendende Liebes- und Respektsgemeinschaft eines Wahlkampfspots. Die Autoren der Serie schaffen es dabei aber auch, immer wieder einen Wettlauf gegen die Uhr und andere klassische Thrillerelemente glaubhaft einzubauen. Und noch bevor die erste Staffel von „Homeland“ habhafte Informationen liefert, was wirklich mit Brody und Mathison los ist, macht sie schon eines klar: diese USA sind im Innern so marode, dass sogar die Propaganda von Al-Kaida den ein oder anderen überzeugen könnte.