Das Stuttgarter Renitenztheater würdigt seinen Gründer und Ex-Intendanten Gerhard Woyda mit einer Gala. Er erzählt uns, warum er sich über den Satire-Stern zu Lebzeiten freut und was er von den Auftritten des Comedians Mario Barth hält.

Stuttgart - Als Gerhard Woyda vor ein paar Wochen auf dem sogenannten „Walk of Fame“ zwischen dem Mainzer Kabarettarchiv und der Kleinkunstbühne Unterhaus das orange-weiße Baustellenhütchen über dem 75. „Stern der Satire“ lüpfte, der nun seinen Namen trägt, da beobachtete ihn eine Kamera. Auf Youtube wurde der Clip über die Kabarett-Auszeichnung für Gerhard Woyda sowie Volker Kühn und Ephraim Kishon (76. und 77. „Stern der Satire“) inzwischen 21-mal angeklickt. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass die populärsten Videos des Comedians Mario Barth auf Youtube mehr als 700 000-mal aufgerufen werden.

 

Wenn man Gerhard Woyda im Foyer des Stuttgarter Renitenztheaters trifft, das er Anfang der sechziger Jahre gegründet hat, und wenn man ihn dann nach Mario Barth fragt, dann sagt der 88-Jährige: „Es ist mir ein Rätsel, wieso Mario Barth das Olympiastadion in Berlin füllt. Ich finde das, was er auf der Bühne macht, nicht gut.“

Auch bei der Enthüllung des von der Stadt Stuttgart und dem Renitenztheater gemeinsam bezahlten 1500 Euro teuren Edelstahl-Satire-Sterns in der Bronzetafel in Mainz sollte Gerhard Woyda Auskunft geben. Er sagte in ein Mikrofon: „Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass ich diesen Preis bekomme, wenn ich bereits gestorben bin. Aber dass ich ihn zu Lebzeiten erhalte, das macht mich glücklich.“

Viele große Namen kamen in sein Theater

Im Foyer des Renitenztheaters, das Woyda einst in der Stuttgarter Königstraße gegründet hatte, das später nach einer Pleite und einem Rauswurf unter den Tagblattturm umzog und das vor ein paar Jahren ins Hospitalviertel weiterziehen musste, lacht Gerhard Woyda, wenn man ihm seinen Mainzer Kommentar vorliest. Und er präzisiert ihn ein bisschen: „Eine Bestätigung meiner Arbeit“ sei der Satire-Stern, sagt er. Und weiter: „Es ist besser, im Alter noch tätig zu sein, als sich nach Hause zurückzuziehen und auf den Tod zu warten.“

Am Montag ist er wieder tätig, auf der Bühne. Während der Würdigungsgala wegen des Satire-Sterns, die ihm das Renitenztheater ausrichtet, wird Gerhard Woyda selbst am Klavier sitzen und Mathias Richling begleiten, während der im Geiste des Humoristen Karl Valentins scherzt. Außerdem werden – vor geladenem Publikum, nicht öffentlich – Thomas Freitag, Romy Haag und George Bailey auftreten. Sebastian Weingarten, Woydas Nachfolger als Intendant des Renitenztheaters, wird durch den Abend führen. OB Fritz Kuhn hat seine Rede abgesagt, aber Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann wird Woyda für die Stadt würdigen. Und der zu Würdigende freut sich mit Vorbehalt: „Die Menschen sind mir wichtig. Aber den ganzen Betrieb, den habe ich nicht so gerne.“

Dabei war Gerhard Woyda als Intendant das, was man heute einen versierten Netzwerker nennen würde: In den siebziger Jahren buchte er Helmut Qualtinger, der damals große Säle füllte, ins Renitenztheater mit seinen damals 170 Plätzen. Er sei, erzählt er, einfach nach Wien gefahren, Qualtinger und er hätten sich verstanden, gerade auch politisch, und dann machte der Wiener in Stuttgart seinen Job. Woyda gelang es, viele große Namen für sein Theater zu gewinnen: Georg Kreisler, Hanns Dieter Hüsch, Wolfgang Neuss, Konstantin Wecker, Gert Fröbe und Curd Jürgens, die Liste ist lang.

Die Intendantentätigkeit hat die künstlerische Arbeit behindert

Und sie war so nicht vorhersehbar: Gerhard Woyda wurde vor 88 Jahren in Willenburg geboren, einer damals 3000 Einwohner zählenden Kleinstadt im südlichen Masuren. Sein Vater, schreibt Gerhard Woyda in seiner Autobiografie namens „Woyda!“, „entstammte einer Schlachterdynastie“. Und Gerhard Woyda hat als Kind mal die Sumpfwiese eines Nachbarn angezündet und dem dann zugerufen: „Herr Nachbar, Ihre Wiese brennt!“ Viel mehr Privates steht nicht in diesem Buch. „Mein Privatleben ist nicht so wichtig“, sagt Woyda.

Mit zehn lernte er Klavier: „Sofort war ich für das Tastenspiel entflammt und konnte auch gleich die Harmonien richtig spielen“, schreibt er. Dann kam der Krieg. Woyda wurde von einem Polizisten zur Hitlerjugend gebracht: „Dort zog ich mich dann als Akkordeonspieler einigermaßen geschickt aus der Affäre“, schreibt er. Dann wurde er Soldat. Er schreibt: „Überhaupt habe ich bei Kampfhandlungen immer in die Luft geschossen, um keinen Menschen zu treffen.“ Im Gespräch sagt er, dass er zwar nicht in die Luft, aber auch nicht auf Menschen geschossen habe: „Innerhalb der Kampfhandlungen ist viel los, da werden Sie nicht kontrolliert.“ Dann Kriegsgefangenschaft und bald darauf schon Kleinkunst am Klavier in einem Ensemble, das die Lieder der Comedian Harmonists nachsang und wenig später Kabarett mit einer Truppe, die Die Amnestierten hieß. Er schrieb die Musik, spielte Klavier, schrieb auch Texte, das tut er bis heute. Und Anfang der Sechziger gastierte er in Stuttgart in der Mausefalle in der Tübinger Straße, als deren Betreiber Werner Fink kurz davor war, nach München umzuziehen. In der Königstraße 17 fand Woyda die Räume, die von 1961 an Renitenztheater heißen sollten.

Wider den barbarischen Existenzkampf

Klar, sagt Gerhard Woyda, seine jahrzehntelange Intendantentätigkeit habe seine künstlerische Arbeit behindert: „Die künstlerische Arbeit erfordert viel Kraft, gerade auf dem Gebiet der Kleinkunst. Sie müssen ständig aktuell sein, ständig Zeitung lesen. Ich habe keine Zeit gehabt, mich da weiterzuentwickeln.“ Aber Intendant blieb er trotzdem, bis 2005: „Ich musste das tun, damit der Betrieb weiterläuft.“

Denn er hatte ja eine Mission, die er als „Denkanstöße geben“ bezeichnet: Er sagt: „Das Kabarett kann die Welt nicht verändern. Aber es kann Denkanstöße geben, damit die Leute sich damit befassen.“

Demut vor den Schwachen

In seiner Autobiografie betont Woyda, nie in einer Partei gewesen zu sein, und auch mit der Außerparlamentarischen Opposition (Apo) Ende der Sechziger hatte er nichts am Hut. „Es gab keine entsprechenden Kontakte und damit basta“, schreibt er. In der Lobby des Renitenztheaters sagt er, dass er aus Gründen der Objektivität „über den Parteien“ stehe: „ Meine Richtung ist Humanismus, die Demut vor den Schwachen, für Gerechtigkeit.“

Wenn man Gerhard Woyda fragt, was er sich jetzt, mit 88, wünscht, befördert seine ein wenig fragil gewordene Stimme ein erstaunliches Maß an Entschlossenheit: „Wichtig wäre mir, dass die Kriege aufhören und dass dieser barbarische Existenzkampf aufhört.“ Wie bitte? „Dass jetzt von großen Firmen Tausende Leute entlassen werden, das finde ich eine Barbarei. Das ist auch nicht notwendig. Das ist nur notwendig, damit die ihre Konkurrenz ausschalten können. Da muss etwas verändert werden.“

Als Intendant holte Woyda eine große Firma, Daimler, als Sponsor in sein Theater. Er sagt: „Wenn man die Konzerne so ausnutzen kann, dass sie einem bei der Existenz helfen, dann ist ja alles gut. Dann kann man mit seiner Aussage weitermachen.“