Am Wochenende spielt Schalke 04 gegen Borussia Dortmund. Max Meyer und Leon Goretzka stehen seit Jahren im Fokus. Sie stehen aber auch unter Druck – dem besonderen Gelsenkirchener Druck.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart/Gelsenkirchen - Max Meyer (21) muss lachen, als er den Satz ausspricht, der seine Zeit beim FC Schalke 04 so wunderbar auf den Punkt bringt. Das Grinsen ist immer noch lausbubenhaft, es passt zu diesem aufgeweckten, frechen jungen Burschen. Meyers Lachen aber wirkt doch auch irgendwie desillusioniert. „Schalke“, sagt der U-21-Nationalspieler also, „ist eine gute Schule – danach schockt mich sicher nichts mehr.“ Meyer schüttelt den Kopf, wenn er an seinen Werdegang denkt. Bei seinem Club. Diesem pulsierenden, bebenden Verein im Revier. Dem Verein, der seinen Talenten so viel geben kann. Der ihnen aber auch einiges abverlangt.

 

Neuer, Özil, Sané kommen aus der Jugend

Der FC Schalke und seine Jungs aus der eigenen Jugend, das ist eine lange Geschichte. Da sind zunächst einmal die Fakten, die besagen, dass in den vergangenen zehn Jahren 25 Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den Sprung zu den Profis geschafft haben. Klingende Namen wie Manuel Neuer, Mesut Özil oder Leroy Sané waren darunter, die die Königsblauen dann irgendwann gewinnbringend weiterverkauften. Es ist ein Erfolgsmodell.

Allerdings ist es für viele Talente mit dem riesigen Potenzial auch verdammt schwierig, sich auf Schalke konstant in der Bundesliga weiterzuentwickeln. Das Eigengewächs Max Meyer gehört zu ihnen, sein Kumpel Leon Goretzka (22) in gewissem Sinne auch – Schalke holte ihn im Jahr 2013 als 18-Jährigen quasi aus der Vorstadt, vom VfL Bochum. Meyer und Goretzka stehen seit Jahren im Fokus. Sie stehen aber auch unter Druck – dem besonderen Gelsenkirchener Druck. „Schalke ist aufregend“, sagt Meyer. „Es ist verrückt, oft im positiven Sinne. Aber es ist selten einfach.“

Malocher-Mentalität wird gefordert

Was er meint: der Traditionsclub aus dem Pott hatte schon immer ein unruhiges Umfeld, gepaart mit hohen Erwartungen. Erfolgreich soll die Sache schon sein, aber bitte nie ohne die ureigene Schalker Malocher-Mentalität. Wenn dann mal wieder ein toller Kicker aus den eigenen Reihen hochkommt, ist der gefühlt oft der Heilsbringer, auf den alle Erwartungen projiziert werden. Kein Söldner, der nur der Kohle wegen hier ist, wie sie im Pott dann gerne mal sagen. Sondern ein Eigengewächs, das die ganze Sehnsucht nach der eigenen Identität befriedigen und Königsblau am besten noch zur Meisterschaft schießen soll. Chancen sich in Ruhe zu entwickeln gibt es kaum. „Das alles muss man aushalten können“, sagt Meyer. Einer, der das irgendwann nicht mehr schaffte, war Julian Draxler. Das Eigengewächs flüchtete 2015 nach Wolfsburg und nannte als Grund die „hohe Erwartungshaltung“. Die Lage für die Schalker Talente hat sich immer noch nicht wirklich verbessert.

Meyer erlebte vier Schalker Trainer

Dabei sind Meyer und Goretzka in der U-21-Nationalelf längst anerkannte Führungsspieler. So wie beim Test gegen Portugal im Stuttgarter Gazi-Stadion am Dienstag (0:1). Bundestrainer Joachim Löw hat sie längst nicht mehr nur auf dem Zettel. Die beiden sind heiße Kandidaten für die WM 2018 . Der 1,73 Meter große Meyer wegen seiner Technik, der Spritzigkeit, der Beweglichkeit und dem Spielverständnis. Goretzka wegen seiner Qualitäten als Mittelfeldmotor, wegen den strategischen und kämpferischen Fähigkeiten in der Zentrale. Er ist in seinen besten Momenten ein Sechser, ein Achter und ein Zehner in einem.

All diese Qualitäten der beiden wissen sie auch beim FC Schalke 04 zu schätzen. Aber daheim, da ist es für Meyer und Goretzka oft nicht am schönsten. Sondern am schwersten. Denn sobald sie die oft überhöhten Erwartungen nicht erfüllen können, prasselt Kritik auf sie ein. Das ist Gift ist für die Entwicklung – ebenso wie die Rochaden auf der Trainerposition. Max Meyer hat mit seinen 21 Jahren schon vier Schalker Profitrainer erlebt. Keine Konstanz, stattdessen immer neue Philosophien. Gesundes Wachsen sieht anders aus.

Meyer vor dem Absprung

Immerhin: Leon Goretzka ist mittlerweile nach vielen Verletzungen und einigen Formschwankungen auch auf Schalke eine anerkannte Führungsfigur. Sein Vertrag läuft bis 2018, die Tendenz geht zum Bleiben. Anders als bei Max Meyer, dessen Vertrag ebenfalls 2018 ausläuft. Die Vertragsgespräche sind auf Eis gelegt. Auch wenn Meyer zuletzt auf der Zehnerposition überzeugte, stehen die Zeichen eher auf Wechsel. Weil der Offensivmann das bedingungslose Vertrauen weiter nicht spürt. Und die Erwartungen nicht kleiner werden. Groß ist der Druck auch am Samstag. Dann steht das Derby gegen Borussia Dortmund an. Das Spiel der Spiele, nach wie vor. Auch für Max Meyer. „Wenn du gegen den BVB gewinnst“, sagt er, „dann ist es auf Schalke definitiv am schönsten.“