Wer hat Sie denn während Ihrer langen Karriere als Künstler am stärksten beeindruckt?
Fritz Kortner! Er war Schauspieler und Regisseur. Und als er, aus dem amerikanischen Exil kommend, in München seine großen Regie-Ereignisse schuf, absolvierte ich an der Otto-Falckenberg-Schule gerade meine Schauspielausbildung. Das war in den frühen fünfziger Jahren. Ich schwänzte die Schule, ging ins Theater und beobachtete ihn bei den Proben. Sein präziser Umgang mit Texten und Darstellern, seine Regiekonzepte und seine Ungeduld, wenn es nicht so lief, wie er wollte: von Kortner, der als Jude von den Nazis vertrieben worden war, habe ich das Wesentliche für meine spätere Karriere gelernt. Daneben gab’s aber noch andere wichtige Lehrer für mich, an den Kammerspielen traten ja ganz wunderbare Schauspieler auf.
Zum Beispiel?
Friedrich Domin, Therese Giehse, Hans-Christian Blech, Peter Lühr, auch den alten Hans Moser habe ich noch kennengelernt – das waren große Schauspieler, dazu kamen große Regisseure wie Heinz Hilpert, Rudolf Noelte, Hans Schweikart. Kurz vor seinem Tod kam auch Brecht nach München, um eines seiner Stücke, „Der gute Mensch von Sezuan“, zu inszenieren. Aber da war er, obwohl erst Mitte fünfzig, schon ein kranker, gebrechlicher Mann.
Fast alle, die Sie in Ihrem Buch erwähnen, sind bereits tot. Nicht nur Ihre Lehrer, sondern auch Ihre damals jungen Kollegen leben nicht mehr. Sie sind der letzte Zeuge.
Ja, es wird einsam um mich. Sie sind alle nicht mehr da: Maximilian Schell, Hanns Lothar, Gottfried John, Siegfried Lowitz, Horst Tappert, Rolf Boysen. Viele sind auch schon fast vergessen, selbst wenn ihr Spiel auf Konserven festgehalten ist und gelegentlich im Fernsehen gezeigt wird. Vergessen werden: das blüht jedem, auch mir, da habe ich keine Illusionen. Um Schiller zu zitieren: „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze.“
Einspruch. Von Ihnen wird einiges bleiben. Ich denke gerne an den Nazi-Mitläufer Alfred Matzerath aus der „Blechtrommel“ zurück oder an Herrn Haffenloher, den Sozialaufsteiger aus „Kir Royal“.
Das freut mich. Aber es ändert nichts daran, dass von den zweihundert Film- und Fernsehrollen, die Wikipedia bei mir auflistet, schon das allermeiste in der Versenkung verschwunden ist.
Trotzdem: wenn ich Sie nachts aus dem Schlaf wecken und Sie nach Ihrer besten Rolle fragen würde, was wäre die Antwort?
Die beste? Weiß ich nicht. Die berühmteste schon eher: das ist die auch von Ihnen geliebte Rolle des Haffenloher, des Parvenüs in der Münchner Society. „Junge, ich scheiß dich zu mit mein’ Jeld! Ich bin dir einfach über“ – diese Szene, in der er Baby Schimmerlos zurechtstutzt, ist wohl das geworden, was man heute als Kult bezeichnet.