Nach dem Streit rund um die Nationalelf wird der Fußball-Verband nun von einer pikanten Schiedsrichteraffäre erschüttert.

Frankfurt - Das hat sich Theo Zwanziger ganz anders vorgestellt. Kaum hatte der Präsident des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) am Dienstag geglaubt, dass die Wogen in der Auseinandersetzung mit dem Bundestrainer Joachim Löw und dem Teammanager Oliver Bierhoff wieder etwas geglättet sind, da machte in der Verbandszentrale in Frankfurt schon die nächste Schreckensmeldung die Runde. Auf Zwanziger würden bald noch ganz andere Probleme zukommen als die Streitereien mit der Nationalmannschaftsspitze, hieß es in den Büros der Angestellten. Wenig später war dann klar, was der Flurfunk meinte: nach dem Theater um die geplatzten Vertragsverlängerungen von Löw und Bierhoff wird der DFB von einer Schiedsrichteraffäre erschüttert.

Amarell weist Vorwürfe zurück


Die "Frankfurter Rundschau" fährt schwere Geschütze gegen Manfred Amerell (62) auf, den Sprecher der Unparteiischen im Verband. Demnach sei es auf der DFB-Präsidiumssitzung vor einer Woche auch darum gegangen, wie intensiv sich Amerell einem jungen Bundesligareferee angenähert habe - Michael Kempter (27) aus Sauldorf in Baden-Württemberg. Der Eklat wird den DFB jetzt beschäftigen, obwohl Amerell sofort seine Unschuld beteuerte. "Die Vorwürfe sind haltlos und werden von mir zurückgewiesen", sagte er im DSF. Für eine weitere Stellungnahme war Amerell am Mittwoch nicht zu erreichen.

Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung handelt es sich um einen Vorfall, der sich im Oktober 2008 nach einem von Kempter geleiteten Spiel ereignete. Zur Anzeige brachte Kempter die vermeintliche sexuelle Annäherung dann allerdings erst Mitte Dezember 2009, als er Volker Roth, den Chef des DFB-Schiedsrichterausschusses, um Hilfe gebeten hat. Im Januar wurde Zwanziger in Kenntnis gesetzt. Inzwischen beschäftigt sich die Rechtsabteilung des DFB unter dem Vorsitz von Jörg Englisch mit der Aufarbeitung dieser Sache. Bereits am Mittwoch soll Kempter gehört worden sein. Amerell wird demnächst folgen.

Der Fall soll sorgfältig geprüft werden


Bis dahin hält sich der DFB bedeckt. "Für uns geht es nun allein darum, den Fall mit allem Nachdruck, größter Sorgfalt und hohem Verantwortungsbewusstsein zu prüfen. Vorverurteilung ist dabei ebenso unangebracht wie Verharmlosung", sagte der für das Schiedsrichterwesen zuständige Direktor Stefan Hans lediglich.

Das Thema ist umso brisanter, da Amerell großen Einfluss darauf hatte, welche Schiedsrichtertalente vom Verband gefördert werden und welche nicht. Allerdings enden seine Kompetenzen, wenn ein Schiedsrichter in die dritte Liga aufgestiegen ist - eine Station, die Kempter schon vor längerer Zeit erreicht hat. Insofern bestand im Oktober 2008 kein Abhängigkeitsverhältnis mehr zwischen ihm und Amerell. Mehr noch, kurz vor seiner Anzeige im Dezember des vergangenen Jahres ist Kempter sogar in den Kreis der Fifa-Schiedsrichter aufgenommen worden.

Bereits am Montag hatte der DFB-Abteilungsleiter Lutz-Michael Fröhlich den Schiedsrichtern im Verband mitgeteilt, dass Amerell gegenüber Zwanziger den Wunsch geäußert habe, ihn aus gesundheitlichen Gründen vorläufig von seinen Tätigkeiten zu entbinden. Dieser Bitte sei entsprochen worden. Aber damit kam der Stein erst ins Rollen. So hat der DFB-Vizepräsident Rainer Koch am Mittwoch bereits seine Verantwortung für das Schiedsrichterwesen abgegeben. Er fühlte sich von Roth nicht gut informiert über die Entwicklung in Sachen Amerell und Kempter.