Nach dem Unglück auf einem Kreuzfahrtschiff fehlt von zwei vermissten Frauen aus Baden-Württemberg weiterhin jede Spur. Sechs Tote wurden geborgen.  

Rom - Elf deutsche Passagiere werden am dritten Tag nach der spektakulären Havarie des Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ vor der toskanischen Insel Giglio noch vermisst. Fünf von ihnen stammten aus Hessen, sagte ein Polizeisprecher am Montag in Offenbach. An Bord des gekenterten Schiffes entdeckte die Feuerwehr unterdessen ein sechstes Todesopfer. Der Passagier habe sich auf dem zweiten Deck befunden und eine Schwimmweste getragen, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa.

 

Insgesamt wurden noch mindestens 14 Menschen vermisst. Die Suche nach Überlebenden in den Kabinen des 290 Meter langen Schiffes musste am Montag aber wegen stärkeren Seegangs erst einmal unterbrochen werden. Taucher hätten das sich zentimeterweise bewegende Wrack verlassen, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. Schlechteres Wetter könnte auch die Sicherung des Dieselöls in den Schiffstanks erschweren.

Gegen den festgenommenen Kapitän der „Costa Concordia“ werden schwerste Vorwürfe erhoben. Francesco Schettino soll das Schiff zu dicht an die Insel gelenkt und schon während der Evakuierung verlassen haben. Es war am Freitagabend mit mehr als 4200 Menschen an Bord nahe der Insel Giglio vor der toskanischen Küste gegen einen Felsen gelaufen, leckgeschlagen und schließlich auf die Seite gekippt.

Schweres menschliches Versagen

Am Sonntagabend gingen auch die Eigner des Kreuzfahrtschiffes auf Distanz: Schweres menschliches Versagen seitens des Kapitäns könnte zu dem Schiffbruch geführt haben, hieß es in einer Erklärung der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere. „Es scheint, dass der Kommandant Beurteilungsfehler gemacht hat, die schwerste Folgen gehabt haben“, teilte das in Genua ansässige Unternehmen mit.

„Die Route des Schiffs führte offenbar zu nahe an der Küste vorbei, wobei sich die Einschätzung des Kapitäns für einen Notfall nicht mit den von Costa vorgegebenen Standards deckte“, hieß es weiter. Der Kapitän sei 2002 als Sicherheitsoffizier zu Costa gekommen und 2006 zum Kapitän ernannt worden. „Wie alle Costa-Schiffsführer absolvierte er regelmäßige Trainings.“ Auch nach Meinung der Kreuzfahrtgesellschaft European Cruiser Association (Eucras) hat der „absonderliche Kurs“ zum Unglück geführt. „Dieser Kurs hätte nie gesteuert werden dürfen.“

Die Reederei hob die Leistung der Besatzung bei der Rettung der Menschen von Bord der „Costa Concordia“ hervor. Die Mannschaft habe „tapfer und zügig dabei geholfen, mehr als 4000 Personen in einer sehr schwierigen Situation in Sicherheit zu bringen“, hieß es. Dagegen hatten Passagiere von chaotischen Szenen berichtet und über unzureichende Sicherheitsausrüstung geklagt. Costa-Crociere-Chef Pierluigi Foschi wollte sich am Montag in Genua den Medien stellen.

Kein "SOS"

Der Kapitän soll Medienberichten zufolge mehrfach von der Küstenwache aufgefordert worden sein, wieder an Bord zu gehen, um die Evakuierung seines Schiffes zu koordinieren. Dies habe er jedoch nicht getan. Auch einen „SOS“-Ruf soll es zunächst nicht gegeben haben. Hunderte von Zeugenaussagen - Passagiere, Crewmitglieder und Retter - seien zum Hergang bereits aufgenommen worden, sagte der leitende Staatsanwalt von Grosseto, Francesco Verusio, dazu am Montag. Den Kapitän habe man festgenommen, weil Fluchtgefahr bestehe.

Einzelheiten zum Hergang des Unglücks erhofft man sich von der Auswertung der Blackbox des Schiffes, die ähnlich wie in Flugzeugen Kommunikation auf der Brücke und Steuerbefehle aufzeichnet. Das zuständige Hafenamt in Livorno untersagte am Montag Schiffsverkehr in der Nähe des Wracks.

Noch vor dem Abschluss der Such- und Bergungsaktion tritt auch die Frage nach möglichen Umweltbelastungen für die knapp 2400 Tonnen Dieselöl in den Tanks der „Costa Concordia“ in den Vordergrund. Spezialisten sind bereits auf der Insel Giglio, und der italienische Umweltminister Corrado Clini hatte für diesen Montag eine Gruppe von Fachleuten nach Livorno eingeladen, um das Problem zu erörtern. Es gebe sehr hohe Umweltrisiken für die Insel, man müsse schnellstens handeln, „um zu verhindern, dass Treibstoff austritt“, sagte Clini.

„Weitere betrübliche Nachrichten“

Unter den elf deutschen Vermissten sind neben den fünf aus Hessen je zwei Passagiere aus Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Auch das Auswärtige Amt sprach am Montag von einer Vermisstenzahl „im niedrigen zweistelligen Bereich“. Ein AA-Sprecher sagte: „Wir wissen nicht, wo sie sind.“ Er wollte nicht ausschließen, dass unter den Vermissten weitere Opfer des Schiffsunglücks zu beklagen seien. Es könne durchaus „weitere betrübliche Nachrichten“ geben.

Das zuständige Hafenamt in Livorno hat die Kreuzfahrtgesellschaft in einem Mahnschreiben aufgefordert, unter Berücksichtigung der noch laufenden Suchaktionen „das Schiff zu sichern und abzuschleppen“. Offen ist, ob es etwa bei stürmischer See weiter abrutschen könnte.