Die Schlossfestspiele in Ludwigsburg haben ihre Besucherzahl stabilisiert, der Intendant Thomas Wördehoff hat viele Kritiker überzeugt. Doch die Herausforderungen sind enorm – auch der Rechnungshof mahnt weitere Verbesserungen an.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Dass Thomas Wördehoff ein Mann der Zahlen ist, würde er selbst nicht behaupten. Der Intendant der Ludwigsburger Schlossfestspiele denkt wie ein Künstler, spricht wie ein Künstler, und es gab Zeiten, da stand Wördehoff auch deshalb kurz vor dem Aus. Zu abgehoben, zu weit weg vom Geschmack des Publikums, zu wenige Klassiker im Programm – so lautete das harsche Urteil vieler im Gemeinde- und Aufsichtsrat, und der Oberbürgermeister Werner Spec gehörte auf dem Höhepunkt der Krise 2012 ebenfalls zu den Kritikern. Wördehoff habe sich seit seinem Antritt im Jahr 2009 zu wenig darum gekümmert, dass die Zahlen stimmen, hieß es. Und das heißt vor allem: dass die Besucherzahl stimmt.

 

Wördehoffs Vertrag wurde trotzdem verlängert, und seither ist es ist ihm gelungen, die Kritiker zu überzeugen. Vor etwas mehr als einer Woche ist die Hauptsaison zu Ende gegangen, und nicht nur Werner Spec sagt heute: „Das Festival nimmt eine schöne Entwicklung.“ Die Leute, die anfangs auf Distanz gegangen seien, hätten sich mit Wördehoff versöhnt, denn dieser habe sich „intensiv mit dem Publikum auseinandergesetzt“.

Die Auslastung ist auf 83 Prozent gestiegen

Ablesen lässt sich das an Zahlen. 33 000 Besucher verzeichneten die Festspiele bisher. Traditionell folgen im September noch Konzerte, so dass es am Ende voraussichtlich knapp 35 000 Besucher sein werden, in etwa so viele wie im vergangenen Jahr und rund 6000 mehr als noch 2010. Auch die Auslastung wurde deutlich nach oben geschraubt, auf zuletzt 83 Prozent. 32 von insgesamt 69 Veranstaltungen waren ausverkauft. Das sind Werte, über die auch Wördehoff gern spricht. „Ich glaube, ich habe inzwischen bewiesen, dass ich alles dafür tue, viele Besucher zu gewinnen – und dass dieser Punkt mir keinesfalls egal ist.“

Für sein künstlerisches Programm ist Wördehoff in den Feuilletons schon früher gelobt worden, das war diesmal nicht anders. Aber er hat gelernt, dass Kunst nicht alles ist bei einem Festival, das mit 1,7 Millionen Euro von Stadt, Land und Landkreis bezuschusst wird. Der baden-württembergische Rechnungshof hat unlängst angemahnt, dass die Festspiele sich „weiter um eine Verbesserung ihrer Attraktivität und Ausstrahlung bemühen müssen“, und in dem Zusammenhang daran erinnert, dass noch in den 1990er Jahren bis zu 65 000 Besucher gezählt wurden.

Diese Marke allerdings wird das Festival nie mehr knacken, weil die Konkurrenz im Kulturbereich stark zugenommen hat. Allein das junge Open-Air der Kreissparkasse lockt jährlich mehrere Zehntausend Besucher nach Ludwigsburg. „Die Rahmenbedingungen für die Schlossfestspiele sind nicht einfacher geworden, aber mittelfristig muss das Ziel sein, wieder auf mehr als 40 000 Besucher zu kommen“, sagt Spec. Man dürfe sich nicht ausruhen.

Der Intendant will weiter „Risiken eingehen“

Wördehoff stimmt zu, und auch das mag zeigen, dass er sich auf seine Kritiker zubewegt hat. Er halte die Marke von 40 000 für „nicht schlecht, denn man sollte sich hohe Ziele setzen“, sagt er, verweist aber auf „gewisse Imponderabilien“, also Unwägbarkeiten. So sei in dieser Saison die Wettervorhersage für das Monrepos-Open-Air schlecht gewesen, das koste sofort Zuschauer. Auch habe es Aufführungen gegeben, „die nicht so gezogen haben wie gewünscht“: etwa „En avant, marche!“, an dem der Musikverein Ludwigsburg-Oßweil mitgewirkt hat, oder der Schools Day. Auch das Orchesterkonzert „Le Sacre Du Printemps“ war eher mau besucht.

„Ich denke aber, dass wir mit einem Festival wie diesem auch Risiken eingehen müssen – oder soll ich nächstes Jahr auf moderne Klassik verzichten?“, fragt Wördehoff. „Ich halte das für einen Fehler.“ Zumal Pietari Inkinen, der neue Chefdirigent, ein „Meister des Klangs“ sei. „Sie werden sehen, er wird das Publikum auch mit weniger bekannten Stücken berauschen.“ Wördehoff spricht von einem Balanceakt zwischen zwei Aspekten: den Zahlen und dem künstlerischen Profil. „Ich glaube, immer mehr Besucher erkennen, dass wir sie nicht provozieren, sondern neugierig machen wollen. Dass wir sie mit Programmen verführen wollen, die sie nicht kennen.“

Und er sagt einen Satz, den sie auch im Rathaus gerne hören werden: „Nächstes Jahr werden wir wieder einige Veranstaltungen im Programm haben, von denen man relativ sicher sagen kann: die werden sehr gut funktionieren.“ Welche das sind, verrät er noch nicht.