Könnte das umstrittene islamfeindliche Videos in Deutschland verboten werden? Wenn ja, hätte dies vor allem eine politische Bedeutung. Die Bundesregierung könnte öffentlich erklären, dass eine Verhöhnung Mohammeds nicht zugelassen wird.

Stuttgart - Es ist ein Hassfilm, kein Zweifel: „Die Unschuld der Muslime“ hat keine andere Botschaft, als die Mitglieder einer Religionsgemeinschaft und deren Religionsstifter zu beleidigen, sie verächtlich zu machen und der Lächerlichkeit preiszugeben. Mohammed und seine Gefolgsleute werden als tumbe, blöde Gewalttäter dargestellt, die foltern und morden, Kinder missbrauchen, lügen, mit Eseln anbändeln und homosexuell oder verrückt sind. Kein Stereotyp wird ausgelassen.

 

Deshalb unterscheidet sich dieser Film von anderen blasphemischen Veröffentlichungen, über die in den vergangenen Jahren diskutiert worden ist und die (zumindest in zaghaften Ansätzen) noch andere Ziele verfolgten. Sei es, dass es um kritische Aufklärung gegangen ist wie bei den dänischen Mohammed-Karikaturen. Sei es, dass ein ernsthaftes Thema künstlerisch anspruchsvoll abgehandelt wird wie in dem Film „Paradies: Glaube“ mit seiner Masturbationsszene mit einem Kruzifix. Selbst bei dem Titelbild der Satirezeitschrift „Titanic“, das den Papst mit befleckter Soutane zeigte, konnte noch ein Bezug zu einer aktuellen politischen Diskussion hergestellt werden.In seiner Zielrichtung ist der Mohammed-Film am ehesten mit den Hetzfilmen der Nationalsozialisten gegen die Juden vergleichbar. Und doch unterscheidet er sich auch von ihnen, nämlich in der handwerklichen Qualität. Der deutsche Film „Jud Süß“ hatte so furchtbare Wirkungen, weil er professionell und wirkungsvoll in Szene gesetzt war. „Die Unschuld der Muslime“ ist ein stümperhaftes Machwerk. Der Film wirkt, selbst in dem 14-minütigen Zusammenschnitt, seit Monaten auf Youtube abrufbar, vor allem öde und langweilig. Er entfaltet seine Wirkung in der zutreffenden Zusammenfassung seines Inhalts, nicht durch das Anschauen. Vermutlich haben die wenigsten, die sich über ihn erregen, ihn auch tatsächlich gesehen.

„Pro Deutschland“ geht es nicht um Meinungsfreiheit

Die von extremistischen Islamisten angeheizten Ausschreitungen gegen den Film in islamisch geprägten Ländern haben bereits mehrere Todesopfer gefordert. Nun will die rechtsradikale Organisation „Pro Deutschland“ den Film auch in Deutschland aufführen. Dabei geht es dieser Gruppierung – anders als behauptet – weder um Meinungsfreiheit noch um eine inhaltliche Auseinandersetzung. Auch „Pro Deutschland“ will nur provozieren und die Auseinandersetzungen weiter anheizen. Sie spielt im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Feuer.

Politiker erwägen ein Verbot der Filmvorführung, weisen aber auch auf die Schwierigkeiten des Verbotes hin. Dabei scheint das deutsche Recht eindeutig zu sein. Der Paragraf 166 des Strafgesetzbuches verbietet die „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen“. Wer dies tut, kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Selbstverständlich kann die Polizei bereits im Vorfeld einschreiten, um angekündigte Straftaten zu verhindern. Der Paragraf enthält eine Einschränkung, die freilich im aktuellen Fall eine Bestrafung eher erleichtern würde. Bestraft wird die Beschimpfung nämlich nur, wenn sie „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Das Schutzgut ist der Friede, nicht die Religion. Dass dieser Friede gefährdet sein könnte, war noch niemals so klar wie heute.

Auffangtatbestand wäre dann die Volksverhetzung

Der Paragraf hatte bisher keine große praktische Bedeutung. Als strafbar haben Gerichte die Darstellung des Kruzifixes als Mausefalle eingestuft oder eine Verknüpfung der Marienverehrung mit der Verhütung und der Forderung nach einer liberalen Sexualmoral. Würden diese Maßstäbe noch gelten, läge nahe, dass die Aufführung des Films strafbar wäre. Aber die Rechtsprechung hat sich inzwischen gelockert, und es gibt eine politische Diskussion, den Blasphemieparagrafen einzuschränken oder ganz aufzuheben. Der Auffangtatbestand wäre dann die Volksverhetzung. Auch wenn der Film nicht strafbar sein sollte, könnte gegen die Aufführung in Deutschland wohl nach dem Polizeirecht vorgegangen werden, wenn die Veranstaltung Unruhen auslösen würde. Diese Frage ist aber noch heikler, weil hier Meinungsfreiheit und auch die Freiheit zu politischen Kundgebungen viel gewichtiger wären als bei einer Abwägung mit dem Blasphemieparagrafen und damit unmittelbar der Religionsfreiheit.

Letztlich ist die Frage, was in Deutschland verboten ist, von nachrangigem Gewicht, solange der Film in seiner Kurzfassung und dann auch in seiner langen Fassung bei Youtube oder an anderer Stelle im Internet abrufbar ist. Ein Verbot in Deutschland hätte weniger eine praktische denn eine – nicht zu unterschätzende – politische Bedeutung, weil die Bundesregierung öffentlich erklären könnte: Seht her, wir lassen die Verhöhnung Mohammeds in Deutschland nicht zu.

Insbesondere in Amerika sind die Grenzen der Meinungsfreiheit weiter gefasst als in Deutschland. Ein rechtliches Verbot des Films ist dort nicht möglich. Spannend ist, dass es der US-Regierung nicht möglich sein soll, angesichts der furchtbaren Folgen einen entsprechenden politischen Druck auf die Internetfirmen auszuüben.

Diskussion bei uns ist auch ein Zeichen der Hilflosigkeit

Doch so verwerflich der Film ist und so verständlich die Wut gläubiger Moslems darüber sein mag, all dies rechtfertigt auch nicht ansatzweise die Gewaltausbrüche und den Fanatismus bei den Demonstrationen in islamischen Ländern. Die Diskussion bei uns ist auch ein Zeichen der Hilflosigkeit. Die Ausschreitungen lassen uns fassungslos zurück. Die Abwägung der Risiken verleiten dazu, einst mühsam erkämpfte Freiheitsrechte preiszugeben, um schlimme Folgen zu verhindern – auch wenn der Mohammed-Film ein denkbar schlechtes Beispiel für die Meinungsfreiheit ist. Für diese Erkenntnis benötigt niemand das radikale „Pro Deutschland“.

Hilflos sind westliche Gesellschaften auch deshalb, weil sie feststellen, dass immer mehr Menschen auf der Welt ihre Lebensart gering schätzen. Freie Gesellschaften sind aber darauf angewiesen, für andere attraktiv zu sein. Sie können ihre Vorstellungen, anders als autoritäre Gesellschaften und Ideologien, nur so durchsetzen.