Der neue Geschäftsführer des Zweckverbands steht zu Beginn seiner Amtszeit mächtig unter Druck. Für den Ausbau muss er Elektrofahrzeuge anschaffen, die mehr Platz bieten.

Böblingen – - Die Schönbuchbahn ist an manchen Tagen völlig überfüllt – ein Problem, das Reinhold Bauer, seit Anfang des Jahres Geschäftsführer des Zweckverbands, schnellstens lösen muss. Für diese Aufgabe hat der ehemalige Vorstandssprecher der Stuttgarter Straßenbahnen einen Teilzeitjob erhalten.
Herr Bauer, weshalb haben Sie diesen Job übernommen? Sie könnten doch jetzt auch ihren wohlverdienten Ruhestand genießen?
Ich bin von Landrat Roland Bernhard angesprochen worden, ob ich die Aufgabe übernehmen wolle. Ich dachte, in einer Übergangsphase zum Ruhestand ist ein Teilzeitjob genau das Richtige. Außerdem stehe ich voll hinter den Plänen, die Schönbuchbahn auszubauen. Schließlich bin ich auch einer der Väter ihrer Reaktivierung.
Das müssen Sie uns näher erläutern.
Als die Idee dazu in den 1990er Jahren aufkam, war ich beim Verkehrsverbund Stuttgart Geschäftsführer und zunächst eher skeptisch. Ich wohnte damals schon in Weil im Schönbuch, hatte kein Auto und fuhr immer mit dem Bus nach Böblingen und der S-Bahn nach Stuttgart. Als wir das Projekt aber näher betrachteten, kamen wir zu der Prognose, das die Bahn von bis zu 2500 Menschen genutzt werden könnte. Da waren wir zu vorsichtig. Die Fahrgastzahlen kletterten enorm, an Spitzentagen werden jetzt 9000 Fahrgäste gezählt. Wir vom Verbund haben die Reaktivierung jedenfalls befürwortet und ich als SPD-Gemeinderat von Weil im Schönbuch, wo ich den Gremien bis zum Jahr 1995 angehörte, habe auch kommunalpolitisch alles für den Neustart unternommen.
Sie werden als Geschäftsführer monatlich für 40 Arbeitsstunden bezahlt. Ihr Vorgänger, der ehemalige Verkehrsdezernent Andreas Wiedmann, der ins Innenministerium wechselte, ist mit diesem Pensum hingekommen. Reicht Ihnen das Deputat aus und lohnt sich das überhaupt? Da gehört wohl auch Idealismus dazu.
Natürlich ist auch Idealismus dabei. Ich komme im Monat bisher auf mehr als 40 Stunden, ich gehe aber auch wieder in Urlaub. Ich habe mit Günther Springer einen guten Geschäftsstellenleiter des Zweckverbands an meiner Seite. Er erhält noch einen Mitarbeiter in Vollzeit.
Was ist für Sie die größte Herausforderung?
Zum einen ist es die Fahrzeugfrage, ob wir zeitnah die passenden Wagen bekommen. Zum anderen läuft der Landeszuschuss für die Infrastruktur Ende 2019 aus. Bis dahin muss die Kostenabrechnung fertig sein.
Haben Sie noch immer keinen Hersteller der Elektro-Leichtfahrzeuge an der Hand? Die Suche dauert ja schon Jahre.
Es gab schon einmal ein Vergabeverfahren, allerdings nur mit einem Anbieter. Der Zweckverband hat deshalb das Verfahren aufgehoben und ein neues Verfahren eingeleitet. Jetzt sind wir in Gesprächen mit mehreren Herstellern. Bis Ende Juli wollen wir nun die Vergabe an einen Produzenten in der Verbandsversammlung beschließen und den Kreistag vorher einbeziehen.
Was hat Priorität bei der Entscheidung, wer den Zuschlag erhält: der Preis oder die Beschaffenheit der Wagen?
Unsere Strecke hat große Höhenunterschiede. Die Bahnsteighöhe muss zur Fußbodenhöhe des Fahrzeugs passen. Die Bahnsteige können auf höchstens 85 Meter verlängert werden. Ein Triebwagen allein darf deshalb höchstens 42 Meter lang sein. Das Fahrzeug muss mehr Plätze bieten. Es sollte also mindestens 2,90 Meter breit sein und natürlich muss auch die Spurweite stimmen. Deshalb spielt die Eignung der Fahrzeuge die wesentliche Rolle. Zudem müssen die Fahrzeuge spurtstark und schnell sein, damit wir pünktlich sind und die Anschlüsse am Knotenpunkt Böblingen sicher erreichen. Aber natürlich wollen wir auch einen günstigen Preis erzielen.
Bisher sind 40 Millionen Euro für zehn neue Elektrofahrzeuge veranschlagt – die Anschaffung könnte auch mehr kosten. Muss der Zweckverband das alleine schultern?
Jein. Das Land gibt grundsätzlich zwar seit Jahren kein Geld mehr für neue Bahnfahrzeuge. Doch werden eventuell innovative Technologien gefördert. Der Landrat hat den Wirtschafts- und Finanzminister angeschrieben und um einen zehnprozentigen Zuschuss auf die Entwicklungskosten der Wagen gebeten. Das Land hat vor einem Monat mit Daimler und Bosch einen Fonds eingerichtet, um umweltfreundliche Automobiltechnologien zu unterstützen. Wir hoffen, dass auch für den Öffentlichen Personennahverkehr möglich ist.
Immerhin zahlt das Land einen Anteil an der 89 Millionen Euro teuren Elektrifizierung.
Ja, dafür sind wir sehr dankbar. Aber den zugesagten Festbetrag von 37,5 Millionen Euro erhalten wir nach heutigem Stand bis Ende 2019 nur, wenn wir bis dahin die Kosten abrechnen können. Das wird zeitlich eng, weil wir in Böblingen eine Werkstatt- und Abstellhalle bauen müssen und wohl erst im Herbst damit beginnen können. Im Sommer 2017 sollen der Streckenausbau und die Elektrifizierung starten. Wir müssen die Arbeiten aber erst noch ausschreiben. Ob die Förderung über 2019 hinaus verlängert wird, ist offen.
Die Strecke soll bereits im Jahr 2018 elektrifiziert sein. Was ist, wenn bis dahin die neuen Wagen noch nicht fertig sind – was wahrscheinlich der Fall ist?
Dann versuchen wir übergangsweise gebrauchte Elektrofahrzeuge zu mieten oder zu kaufen, die wir dann einsetzen werden. Denn klar ist, dass wir schnellstens die Kapazität erhöhen und den 15-Minuten-Takt zwischen Holzgerlingen und Böblingen einrichten müssen, weil die Züge aus allen Nähten platzen und die Fahrgastzahlen sicher auf weit mehr 10 000 am Tag steigen werden.
Sie stehen bei Ihrem neuen Job also ziemlich unter Druck – wie werden Sie damit fertig?
Ich kann mit Stress umgehen. Ich schlafe genug, mache Sport und ernähre mich gesund. Und jetzt gehe ich erst einmal eine Woche Skifahren.