Das Schorndorfer Flüchtlingsprojekt Zauberfaden ist im Aufwind: Das Modelabel Riani hat in Berlin Taschen der Nähwerkstatt verteilt, die Initiatoren träumen von einer hauptamtlichen Stelle.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Schorndorf - Um halb zehn Uhr morgens stehen die Nähmaschinen des Zauberfadens noch still. Die Näher sitzen gerade beim wöchentlichen Deutschkurs. Eine ehrenamtliche Lehrerin bringt den Flüchtlingen aus fünf Nationen bei, wie sie beim Einkaufen nach Produkten und deren Preisen fragen.

 

Die Nähwerkstatt, in der Flüchtlinge nebenbei Deutsch lernen und Integrationshilfe erhalten sollen, hatte im vergangenen März mit 18 Asylbewerbern in einem Nebenraum des Schorndorfer Clubs Manufaktur angefangen. Seit dem Start vor bald einem Jahr hat sich viel getan beim Zauberfaden: Manche Beteiligten sind von Bord gegangen, andere neu hinzugekommen. Aktuell arbeiten elf Flüchtlinge dort. Das Fernsehen hat über die integrative Nähwerkstatt berichtet, im November bekam das Projekt einen Preis von der Bundeszentrale für Politische Bildung.

Stoff von alten Mehlsäcken verarbeitet

Inzwischen ist die Werkstatt auf das Schock-Areal umgezogen, in einen Ex-Lagerraum des Modelabels Riani. Das Schorndorfer Unternehmen hat die Nähwerkstatt beauftragt, 1000 Kosmetiktaschen für die Berliner Fashion-Week zu nähen. Das Ergebnis besteht auf der einen Seite aus Leder, auf der anderen Seite aus bedrucktem Leinenstoff – er stammt von rund 100 Jahre alten Mehlsäcken der Hahnschen Mühle in Schorndorf. Am 19. Januar lagen die Täschchen auf den Zuschauersitzen einer Riani-Modenschau in Berlin. „Die Taschen sind dort wirklich gut angekommen“, freut sich der Zauberfaden-Geschäftsführer Klaus Österle.

Die Arbeit für Riani sei zwar kein richtiger kommerzieller Auftrag gewesen – „aber wir wollten einfach mal eine richtige Produktion simulieren“, sagt Österle. Zudem erhoffe man sich, mehr auf Aufmerksamkeit für das Projekt zu erlangen. Die nötigen Informationen dazu hat man jedenfalls unter die Leute gebracht: In jeder Tasche steckte ein Flugblatt über den Zauberfaden. Denn auch wenn sich in der Nähwerkstatt einiges professionalisiert hat: Nach wie vor ist sie eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft.

Einnahmen fließen in Ausrüstung und Stoffe. Die Helfer arbeiten ehrenamtlich, die elf mitarbeitenden Flüchtlinge bekommen eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro pro Stunde. Sie arbeite ohnehin nicht wegen des Geldes, sagt dazu eine Syrerin. „In meiner Unterkunft lebe ich zusammen mit neun Familien. Wenn ich hier arbeite, komme ich für einige Stunden da raus“, erzählt die 46-Jährige auf Englisch, während sie Stoffe zuschneidet.

Unterstützer gesucht

Die Zauberfaden-Organisatoren haben aber noch einiges vor. Bis zum 1. Februar läuft daher ein Crowdfunding-Projekt, das sie im Internet gestartet haben. Das Geld, erklärt Klaus Österle, werde für die Werkstatt gebraucht: „Wir müssen den Arbeitsschutz gewährleisten.“ Und dafür brauche man die richtige Ausstattung. 2000 Euro sollen auch in neue Nähmaschinen fließen. „Wir brauchen Industriemaschinen für dicke oder besonders feine Stoffe“, erklärt Österle. Ferner soll der Zauberfaden, bislang von Ehrenamtlichen getragen, einen hauptamtlichen Leiter bekommen. „Nebenher schaffen wir das nicht mehr“, meint Österle. Eine Kandidatin gebe es auch schon: Sükriye Döker, Zauberfaden-Mitgründerin und Grünen-Stadträtin.

Im Internet können Unterstützer jetzt Geld spenden und, wenn sie wollen, dafür auch Zauberfaden-Produkte erhalten. Für 20  Euro gibt es einen Schlüsselanhänger aus historischen Mehlsäcken, eine Tasche wie die bei der Riani-Modenschau bekommt, wer 65 Euro spendet. Eine Kochschürze mit einem Motiv der Schorndorfer Künstlerin Renate Busse darf tragen, wer mehr als 115 Euro gibt. Und für 230 Euro kann ein Spender sich einen Matchsack gestalten lassen.

Vom Ziel, 20 000 Euro einzunehmen, ist der Zauberfaden aber noch recht weit entfernt: Rund 5100 Euro haben die bislang 83 Unterstützer zugesagt. „Wir kämpfen trotzdem weiter“, meint Lily Fahrner, die beim Zauberfaden für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.