Die Europäische Zentralbank bietet den Banken eine Billion Euro an frischen Billigkrediten. Doch die Nachfrage ist gering. Die Wahrscheinlichkeit von Anleihekäufen steigt – und der Einfluss der Bundesbank schwindet.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in ihrem Bemühen um eine Konjunkturbelebung einen Rückschlag erlitten. Eine diese Woche von der Notenbank angebotene Geldspritze traf bei den Geschäftsbanken auf geringes Interesse: Die abgerufene Summe von 82,6 Milliarden Euro blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Sollte die Notenbank mit ihrer aktuellen Strategie scheitern, steigt die Wahrscheinlichkeit von groß angelegten Anleihekäufen nach dem Vorbild der US-Notenbank.

 

Bis jetzt scheut die EZB vor einem solchen Programm zurück. Besonders Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich in der Vergangenheit skeptisch zu Anleihekäufen geäußert. 2015 wird Weidmann allerdings nicht mehr bei allen Beschlüssen des EZB-Rats stimmberechtigt sein: Wegen der Vergrößerung des Gremiums durch die Euroeinführung in Litauen greift von Januar an ein Rotationsprinzip. Weidmann muss sich dem am Donnerstag veröffentlichten Kalender zufolge im Mai und Oktober der Stimme enthalten, wobei geldpolitische Beschlüsse nur auf der Sitzung im Herbst anstehen.

Notenbank sorgt sich um schleppende Kreditvergabe

Bei der diese Woche verabreichten Geldspritze handelt es sich um die erste aus einem Programm, mit dem die EZB die Kreditvergabe vor allem in den Krisenstaaten der Eurozone ankurbeln will. Die Notenbank stellt dafür zu acht Terminen insgesamt 1000 Milliarden Euro bereit. Dass die Summe tatsächlich abgerufen wird, scheint angesichts der geringen Nachfrage in der ersten Runde aber unwahrscheinlich. „Die optimistischen Schätzungen der EZB dürften nicht erreicht werden“, sagte der Commerzbank-Experte Michael Schubert der Stuttgarter Zeitung.

Der wichtigste Grund für die verhaltene Nachfrage: die für jede einzelne Bank verfügbare Summe richtet sich nach der Menge an Krediten, die das Institut selbst an Unternehmen und Verbraucher in der Eurozone ausreicht. Die Möglichkeiten der Banken, ihre Kreditvergabe auszuweiten, sind laut Schubert aber begrenzt. „In den Krisenstaaten der Eurozone gibt es hohe Kreditrisiken und Ausfallraten. Wie sollen in einer solchen Lage die Kredite angekurbelt werden?“

„Deutsche Banken schwimmen in Geld“

In der Bundesrepublik wiederum stehen gegenwärtig viele Unternehmen so gut da, dass sie nur wenig Fremdkapital brauchen. Die deutschen Geldhäuser könnten mit dem EZB-Programm daher wenig anfangen, urteilt Schubert: „Die hiesigen Banken schwimmen in Liquidität.“ Die von der Zentralbank ausgegebenen knapp 83 Milliarden Euro seien daher vermutlich eher nach Südeuropa geflossen.

Laut italienischen Medienberichten rief die dortige Großbank Unicredit 7,8 Milliarden Euro ab. Die kriselnde Monte dei Paschi di Siena lieh sich drei Milliarden Euro bei der EZB. Die Notenbank selbst macht keine Angaben zu den Teilnehmern ihres Programms. Sie teilte lediglich mit, dass insgesamt 255 Banken oder Bankengruppen mitgemacht haben. In der Eurozone gibt es mehr als 5600 Kreditinstitute.

Geldspritze ist Nachfolgerin der „Dicken Bertha“

Konkret handelt es sich bei den Geldspritzen um zinsgünstige Darlehen mit einer Laufzeit von bis zu vier Jahren, das ist für Zentralbank-Kredite Rekord. Vergleichbar langfristige Kredite hat die EZB erst einmal vergeben, auf dem Höhepunkt der Eurokrise im Winter 2011/2012. Damals liehen sich die Banken rund eine Billion Euro für eine Laufzeit von bis zu drei Jahren. Diese Geldspritze wurde von EZB-Präsident Mario Draghi „Dicke Bertha“ getauft – in Anlehnung an ein deutsches Mörsergeschütz aus dem Ersten Weltkrieg.

Dass das neue Kreditprogramm hinter der „Dicken Bertha“ zurückbleiben dürfte, schürte an den Aktienmärkten Spekulationen über weitere Schritte der EZB. Denn mit dem Misserfolg wächst der Druck auf die Währungshüter, der europäischen Konjunktur anderweitig unter die Arme zu greifen. „Zwar steht ein groß angelegter Ankauf von Staatsanleihen nicht unmittelbar bevor – er ist aber einen Schritt näher gerückt“, kommentierte der Chefvolkswirt der DZ-Bank, Stefan Bielmeier. Der Deutsche Aktienindex (Dax) stieg um rund ein Prozent.

US-Notenbank fährt Anleihekäufe zurück

Für gute Stimmung an den Märkten sorgte auch die Sitzung der US-Notenbank am Mittwochabend. Zwar fährt die Fed ihre Anleihekäufe weiter zurück, pumpt also weniger Geld in die Märkte als bisher, die Notenbankchefin Janet Yellen bekräftigte aber, dass sie an dem Leitzins nahe null Prozent vorerst festhalten will. Vor der Sitzung war über eine Abkehr von diesem Bekenntnis spekuliert worden.

Nach Einschätzung der Dekabank wird die Fed den US-Leitzins im Frühjahr anheben. Er läge dann höher als in Europa, weil die EZB ihren Leitzins zu Monatsbeginn auf 0,05 Prozent gesenkt hatte. Draghi kündigte damals zusätzlich den Kauf von verbrieften Krediten an, um den Geschäftsbanken Risiken abzunehmen und so die Vergabe neuer Darlehen zu erleichtern.