Das schnelle Nein aus Berlin zum Athener Hilfsantrag verärgert viele Europartner. In Brüssel wird spekuliert, ob die Bundesregierung Griechenland vielleicht doch aus der Eurozone hinausdrängen will.

Brüssel - Einige Stunden lang hat es am Donnerstag so ausgesehen, als ob sich der Schuldenstreit zwischen Griechenland und seinen europäischen Geldgebern in Luft auflösen könnte. Denn der Brief, mit dem Athens Finanzminister Gianis Varoufakis bei Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem eine Verlängerung des am Monatsende auslaufenden Hilfsprogramms beantragte, schien für viele europäische Akteure die ersehnte frohe Botschaft aus Griechenland zu sein. Enthält doch das Schreiben, dessen Empfang der Niederländer per Twitter bestätigte, wesentliche Punkte dessen, was die EU-Finanzminister erst am Montag wieder gefordert, aber nicht bekommen hatten.

 

Der klarste Beweis dafür war, dass Dijsselbloem für diesen Freitagnachmittag eine weitere Eurogruppen-Sitzung einberief – was er nach seiner eigenen Aussage vom Montag nur dann tun wollte, wenn die griechische Seite die von den EU-Partnern gestellten Bedingungen erfüllt. Und dies wurde in Dijsselbloems Umfeld offenbar so gesehen, wie ein hochrangiger Diplomat der Stuttgarter Zeitung sagte: „Ein guter Brief, die Griechen sind in die Knie gegangen, fast ganz.“ EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der am Vorabend erneut lange mit Dijsselbloem und dem griechischen Premier Alexis Tsipras gesprochen hatte, ließ denn auch ausrichten, er werte den Brief als „positives Signal“. Denn es handele sich, wie ein belgischer Regierungsvertreter sagte, keineswegs nur um einen Antrag auf Verlängerung der Zahlungen, ohne die Bedingungen dafür erfüllen zu wollen – wie dies noch am Dienstag oder Mittwoch teilweise befürchtet worden war.

Unverständnis über Deutschlands Nein

So gibt es in dem Brief nicht nur das Bekenntnis, allen Gläubigern alle Schulden zurückzuzahlen. Athen verpflichtet sich zudem, auf einseitige politische Maßnahmen zu verzichten, sondern „gemeinsam voranzugehen“ und eine „erfolgreiche Beendigung der laufenden Vereinbarung“ anzustreben – so wie das Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag gefordert hatte. Er, Schäuble, könne dem Bundestag nämlich keinen Pro-forma-Antrag vorlegen, wenn ein erfolgreicher Abschluss des Hilfsprogramms gar nicht ernsthaft angestrebt werde: „Das hat der Deutsche Bundestag nicht verdient“, so der Minister. Umso irritierter reagierten Deutschlands Partner am Donnerstagnachmittag darauf, dass aus Berlin ein Nein zum griechischen Hilfsantrag zu hören war, der Schäubles Sprecher zufolge „kein substanzieller Lösungsvorschlag“ sei. „Das ist schon sehr bemerkenswert, wie eindeutig sich Berlin hier positioniert“, sagte ein Luxemburger EU-Diplomat, wissend, dass seit dieser Woche wieder spekuliert wird, ob die Bundesregierung Griechenland vielleicht doch aus der Eurozone hinausdrängen möchte.

Unverständnis kommt auch aus anderen Euroländern: „So ein barsches Nein ist nicht gerade hilfreich, wenn sich dein Gegenüber gerade eindeutig in die richtige Richtung bewegt hat“, sagte beispielsweise der belgische Diplomat. Dass Griechenlands Finanzminister Varoufakis zusätzlich um ein wenig Flexibilität bei der Auslegung der Sparpolitik in den nächsten sechs Monaten bitte, sei beim Finanzministertreffen am Montag bereits gemeinsame Position aller Eurostaaten gewesen.

Diplomat: „Deutschland wird in einem anderen Team spielen“

Die gemeinsame Front gegen Griechenland, die sich während der beiden gescheiterten Finanzministersitzungen gezeigt hat, sieht der Belgier jedenfalls zerbröckelt, wenn sich Schäuble & Co. an diesem Freitag erneut treffen: „Deutschland wird bei dieser Eurogruppen-Sitzung in einem anderen Team spielen“, so der Diplomat, „vielleicht auch ganz ohne Team.“ Auf die Unterstützung anderer setzen nun auch die Griechen selbst, die den Antrag nicht erneut nachbessern wollen. Die Entscheidung der Eurogruppe, so ein Regierungssprecher in Athen, werde offenbaren, wer eine Lösung wolle und wer nicht.

Am Donnerstagnachmittag kam in Brüssel die Runde der Staatssekretäre zusammen, welche die Ministersitzungen vorbereitet. Ursprünglich war vereinbart gewesen, erst nach der Prüfung des Antrags durch dieses Gremium eine Bewertung vorzunehmen. „Eigentlich hätte erst danach entschieden werden sollen, ob sich eine Ministersitzung lohnt“, sagt ein EU-Diplomat: „Dass Dijsselbloem schon davor die Einladung aussprach, hat vielleicht logistische Gründe, aber Schäuble ganz offensichtlich verärgert.“