Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Verschiedene Untersuchungen belegten dies, sagt Barnert. „Mädchen gelten als ausgleichend. Dies kann dazu führen, dass gute Leistungen von Jungen mehr beachtet werden als die von Mädchen. Bei schlechtem Verhalten ist es oft genau umgekehrt“, erläutert die Schule auf ihrer Internetseite. Insgesamt, sagt Barnert, die im Laufe ihrer Karriere auch schon vor reinen Jungenklassen gestanden hat, sei der Unterricht konzentrierter, ruhiger und die Schüler seltener abgelenkt. Auch falle es den Mädchen leichter, über heikle oder sensible Themen zu sprechen, wenn keine Jungs dabei sind.

 

„Mädchen haben meist ihre Stärken in den Sprachen und beim Lesen, sie tanzen, malen, basteln und musizieren gerne“, erläutert die Schule auf ihrer Internetseite. Diese Neigungen würden mit entsprechenden Angeboten unterstützt. Umgekehrt wolle man mögliche Schwachstellen ausgleichen: „In den Naturwissenschaften und in Mathematik sind sie oft zurückhaltender und sie bauen oft eine große Distanz zu diesen Fächern auf.“ Seien die Mädchen aber unter sich, trauten sie sich auch in diesen Fächern mehr zu und zeigten plötzlich mehr Interesse und bessere Leistungen. „Wir unterstützen die Mädchen auf diesem Weg zum Beispiel mit Zusatzangeboten in Mathematik.“ Des Weiteren gibt eine Technik AG und Kooperationen mit Firmen, die in technischen Berufen ausbilden.

Die Schloss-Realschule für Mädchen genießt einen guten Ruf. Die Schülerinnen kommen teilweise extra aus angrenzenden Landkreisen angereist. Oft wechselten auch Mädchen her, die sich an anderen Schulen schwer getan hätten, etwa weil sie sehr introvertiert und still sind, sagt Schulleiterin Barnert. Aber die Schule zehre nicht bloß vom Mädchenbonus: „Wir haben hier ein eher familiäres Klima.“ Mit 275 Schülerinnen, 18 weiblichen und vier männlichen Lehrkräften ist die Schule vergleichsweise übersichtlich. „Die Schülerinnen wenden sich manchmal mit Problemen an die Lehrer, die hätte ich meinen Lehrern früher nie anvertraut“, sagt Barnert. Die Schule sei ein bisschen Ersatzfamilie geworden, sie übernehme heute mehr Erziehungsaufgaben. Oft müssen beide Elternteile arbeiten oder die Kinder wachsen nur bei einem Elternteil auf, das ebenfalls zur Arbeit geht. „Da fehlt Zeit für die Kinder.“

Die Mädchen selbst blicken offenbar gerne zurück auf ihre Schulzeit. Eines der Mädchen, die im vergangenen Jahr Abschluss machten, schrieb der Schule: „Die Vorurteile, dass es nur Zickenkrieg gibt, stimmen nicht. Und auch ohne Jungs kann der Unterricht sehr spannend und unterhaltsam sein. Man kann im Unterricht viel entspannter sein, da sich die meisten Mädchen schämen etwas zu sagen, aus Angst vor dummen Kommentaren der Jungs. Man ist viel offener unter sich in der Klasse, da wir alle Mädchen sind.“ Nein, lebensnotwendig ist eine reine Mädchenschule in heutiger Zeit sicher nicht mehr. Aber sie macht manchen Mädchen das Leben und Lernen leichter, sagt Martina Barnert.