Auf der Schulstation der Göppinger Klinik am Eichert tragen angehende Gesundheits- und Krankenpflegerinnen die Verantwortung. „Praxisanleiter“ sorgen für das Back-up. Das Konzept funktioniert gut und stößt auf allgemeine Zustimmung.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Sie verteilen das Essen, helfen bei der Körperpflege, machen die Betten, legen Verbände an, lernen auch sonst die notwendigen medizinischen Handgriffe und kümmern sich damit um das Wohl der Patienten. Andrea Waffenschmidt und Paulina Hubrich werden an der Göppinger Klinik am Eichert als Gesundheits- und Krankenpflegerinnen ausgebildet. In den vergangenen vier Wochen allerdings hatten die beiden jungen Frauen zusammen mit zwei weiteren Azubis auf der Station 83 das Sagen – und trugen damit auch die Verantwortung für die gesamte Organisation, die Dokumentation und die Strukturierung des Tagesablaufs. Für ein permanentes Back-up und für die notwendige Sicherheit sorgten und sorgen die sogenannten Praxisanleiter, wie etwa Ines Pasta. Sie stehen bei Fragen zur Verfügung, korrigieren im Fall der Fälle und greifen auch mal ein, wenn etwas nicht so läuft, wie es laufen soll.

 

Je zwei Zimmer der Urologie und der Hämatologie gehören zu der Schulstation, die an den Alb-Fils-Kliniken in diesem Jahr ins Leben gerufen worden ist und nunmehr den dritten Durchgang hinter sich hat. Die Idee für das Projekt hatte Brigitte Käser, die als stellvertretende Pflegedirektorin für das Zentrum III und damit für die genannten Abteilungen zuständig ist. Ausgearbeitet und angepasst wurde das Konzept von Stephan Laube, der berufsbegleitend und gemeinsam mit Käser Angewandte Pflegewissenschaften studiert hat und obendrein stellvertretender Pflegedienstleiter auf der Urologie ist.

Göppinger Konzept orientiert sich an der beruflichen Wirklichkeit

„Wir haben das Ganze zwar nicht erfunden, aber so modifiziert, dass es aus unserer Sicht den Erfordernissen am besten entspricht“, sagt Laube. Was auf der Schulstation ablaufe, komme dem Echtbetrieb sehr nahe. Zwar fehlten bestimmte Aufgaben wie etwa Dienstplanung oder Warenwirtschaft. Im Alltagsbetrieb werde das aber normalerweise auch von anderen Stellen übernommen, ergänzt er.

„Wir wollten das Projekt an der späteren beruflichen Wirklichkeit zu orientieren“, erklärt Laube. Aus seiner Sicht funktioniert das sehr gut, nicht zuletzt weil das gesamte Personal der Abteilung aufgeschlossen sei, die Praxisanleiter die Sache zu der ihren gemacht hätten und sich die Patienten sehr offen und zufrieden zeigten.

Andrea Waffenschmidt, die ihre Ausbildung demnächst abschließt, und Paulina Hubrich, die erst im zweiten Lehrjahr ist, sind jedenfalls voll des Lobes: „Das ist nicht nur eine super Vorbereitung auf das Examen, sondern auch auf den künftigen Beruf“, betont die 19-jährige Waffenschmidt. Ihre ein Jahr ältere Kollegin spricht vom „wirklichen Leben, weil wir hier einfach alles machen dürfen“.

Dass die Zahl der Zimmer und Patienten dabei nur knapp zur Hälfte der Realität entspricht, tut der Sache aus Sicht von Ines Pasta indes keinen Abbruch: „Der Lerneffekt steht klar im Vordergrund. Es müssen Regelmäßigkeiten hergestellt und Automatismen eingeübt werden.“ So gehe es etwa nicht nur darum, Schichtablaufpläne zu schreiben, sondern diese auch einzuhalten, fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu.

Dem Zufall bleibt dabei nichts überlassen. Neben einem täglichen Feedback gibt es jeden Freitag eine Wochenevaluation. Im Rahmen dieser Besprechung wird zum einen die Kompetenzentwicklung ausgewertet. Zum anderen werden neue Lernziele für die nächsten Tage festgelegt.

„Das ist alles sehr konstruktiv, weil wir aufgezeigt bekommen, was gut gelaufen ist und was noch besser gemacht werden kann“, sagt Paulina Hubrich. „Wir lernen besser einzuschätzen, wo die Prioritäten gesetzt werden müssen. Dass all das so aufwendig und anstrengend sein kann, hätte ich zuvor nicht gedacht“, gibt Andrea Waffenschmidt zu, die es dennoch als „echten Luxus“ bezeichnet, per Zufall für die Schulstation ausgewählt worden zu sein.

Eine Standardisierung könnte auch kleineren Kliniken helfen

Ines Pasta hofft derweil, „dass die Schülerinnen die Möglichkeit haben, was sie hier gelernt haben, auf anderen Stationen weiter zu entwickeln“. Sie sei allerdings guter Dinge, weil das Interesse von allen Seiten sehr groß ist. Brigitte Käser ist diesbezüglich ebenfalls zuversichtlich. „Es ist wirklich erstaunlich, welche Kompetenzsprünge in solch kurzer Zeit möglich sind. Sich selbst auszuprobieren und aktiv zu werden, ist nach den bisherigen Erfahrungen unabdingbar.“ Zudem sei das Konzept „mit dem Mangel, den wir ansonsten in der Pflege haben, sehr verträglich“, fährt die Bereichsleiterin fort.

Stephan Laube, der seine Bachelorarbeit über das Thema Schulstation geschrieben hat, sieht bis dato nur an einem Punkt die Möglichkeit zur Verbesserung: „Derartige Abläufe machen die Ausbildung wesentlich intensiver. Aber es muss sich halt auch einer darum kümmern“, sagt er. Deshalb sei es sehr schade, dass jede Klinik ihr eigenes Süppchen koche. Eine Lösung hätte Stephan Laube jedoch parat: „Eine landesweite Standardisierung würde auch Kliniken helfen, die das aus eigener Kraft nicht schaffen.“