Obwohl die Turnhalle des Berufschulzentrums Esslingen-Zell dringend renoviert gehört, mussten die Handwerker wieder abziehen. Der Landkreis Esslingen musste dort kurzfristig wieder 100 Flüchtlinge unterbringen.

Esslingen - Kaum waren die 105 Flüchtlinge, die seit dem September des vergangenen Jahres in der Sporthalle des Berufsschulzentrums Esslingen-Zell lebten, auf andere Standorte in Esslingen verteilt, standen überraschend die ersten Nachrücker vor der Türe. „Wir haben angesichts der aktuellen Entwicklung auf den Hilferuf des Regierungspräsidiums Karlsruhe reagiert und zugesagt, kurzfristig 100 Flüchtlinge aus der Erstaufnahmestelle des Landes aufzunehmen“, erklärt Peter Keck, der Sprecher des Esslinger Landratsamts, das Rein und Raus in der Zeller Schulturnhalle.

 

Die Neuankömmlinge aus Syrien, Gambia und Pakistan würden nun nach und nach die provisorischen Unterkünfte in der zweckentfremdeten Schulturnhalle beziehen. Deren geplante Renovierung sei damit erst einmal auf die lange Bank geschoben worden. „Lieber jetzt gleich ein Dach über dem Kopf, als irgendwann frisch gestrichene Wände“, bringt der Sprecher Peter Keck die pragmatische Haltung des Landkreises auf einen einfachen Nenner.

Turnhalle soll im März frei werden

Über das Wochenende sind seinen Worten zufolge 30 Männer eingezogen, die restlichen 70 Flüchtlinge werden in den kommenden Tagen erwartet. Der Landkreis-Sprecher geht nach wie vor davon aus, dass die Turnhalle verabredungsgemäß bis zum Frühjahr 2016 der Schule wieder zur Verfügung stehen wird – wenn auch unter dem Vorbehalt der künftigen Entwicklung. „Momentan steht die Zusage an die Stadt Esslingen, dass wir die Turnhalle drei Monate, nachdem die Flüchtlingsunterkunft in der Robert-Bosch-Straße zur Verfügung steht, frei geben“, sagt Keck. Das könnte möglicherweise im kommenden März der Fall sein.

In der Wortwahl schwingt das Eingeständnis mit, dass die Prognosen angesichts des steigenden Zuweisungsdrucks eine immer kürzere Halbwertszeit haben. „Der Landkreis muss rein rechnerisch bis zum Jahresende 6000 Plätze zur Verfügung stellen. Schaffen werden wir nach dem heutigen Stand allenfalls rund 3500“, sagt Peter Keck. Seinen Worten zufolge ist in einer Kreisgemeinde inzwischen auch der Bau einer größeren Zelthalle im Gespräch. „Aber da muss der Gemeinderat noch beschließen“, sagt Keck.

Das Thema Asylbewerber wird auch auf der Tagesordnung der nächsten Esslinger Gemeinderatssitzung stehen. „Wir nehmen die Neubelegung der Turnhalle in Zell zur Kenntnis, gehen aber davon aus, dass die Räumung zum nächsten Jahr nach wie vor Geschäftsgrundlage ist“, sagt Roland Karpentier, der Sprecher der Stadtverwaltung. Die Stadt wolle an ihrem Konzept der dezentralen Unterbringung festhalten. „Wir sehen aber wohl, dass es zwischen den Plätzen und dem Bedarf eine sich öffnende Schere gibt“, sagt Karpentier.

Esslingen rechnet mit 1000 Flüchtlingen

Die Feststellung gilt nicht nur für den Landkreis, sondern auch für die Stadt Esslingen. Derzeit sind in der mit rund 91 000 Einwohner größten Stadt im Kreisgebiet rund 300 Flüchtlinge untergebracht. Weitere 400 Plätze sind zumindest planerisch in trockenen Tücher. Das wird nach Einschätzung des Rathaussprechers nicht reichen. „Wir gehen davon aus, dass wir bis Ende des kommenden Jahres rund 1000 Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf bieten müssen“, sagt Karpentier.

In der Oktobersitzung des Gemeinderats wird die Esslinger Stadtverwaltung deshalb seinen Worten zufolge eine Fortschreibung des Unterbringungsplanes vorlegen, inklusive mehrerer Vorschläge für neue Standorte. „Die Stadt bekennt sich damit zu der Verpflichtung, mehr Flüchtlinge unterzubringen“, sagt Roland Karpentier. Die Verwaltung sei auf der Suche nach neuen Plätzen auch schon fündig geworden. „Bevor wir aber damit an die Öffentlichkeit gehen, wollen wir zuerst die Betroffenen in den Stadtteilen unterrichten“, erklärt der Pressesprecher Roland Karpentier.