Jo-Kurt Berger zeichnet witzige Schwabencomics. Er selbst hat das Lachen erst mühsam wieder lernen müssen, wie alles andere auch – nach einem Schlaganfall mit gerade 43.

Schwäbisch Gmünd - Er ist sich immer ganz sicher gewesen: „Meine Erinnerungen kann mir keiner nehmen.“ In seinen Urlauben führte Jo-Kurt Berger Reisetagebücher und malte, was ihm besonders eindrücklich erschien. Fast 3000 Zeichnungen hat er aus dieser Zeit. Der 50-Jährige zeichnet auch jetzt noch, wann immer er kann. Nun aber: Schwabencomics, die an echten Schauplätzen spielen, die wortwitzig, gemein, behäbig, saulustig, manchmal ziemlich derbe sind – wie die Schwaben halt. Der erste Band von „Bergers Schwabenteuern“ spielte in Stuttgart, der zweite im Ostalbkreis. Bilder daraus werden bis Ende Februar in Schwäbisch Gmünd im Café in der Spitalmühle (Spitalhof 3) gezeigt.

 

Dass Jo-Kurt Berger noch malt, ist nicht selbstverständlich. Vor sieben Jahren hat es ihm einen 16 Millimeter großen Thrombos von der Herzmittelwand „ins Gehirn gehauen“, wie er es formuliert: Ein Schlaganfall, mit gerade 43 Jahren. Der große, kräftige Mann aus Stuttgart-Bad Cannstatt, der als erfolgreicher Betriebswirt mitten im Leben stand, wurde von diesem 16 Millimeter großen Blutgerinsel gefällt wie ein Baum. Berger war unfähig zu gehen und zu sprechen. Und seine Erinnerungen, die ihm immer bleiben sollten? Waren perdu. „Du liebe Zeit“, sagt der 50-Jährige, „da habe ich mich schwer vertan.“

Ins Leben zurückgekämpft

Fast ein Jahr lang hat er sich zurückgekämpft ins Leben, hat wieder laufen und reden gelernt. Erzählen kann er wieder wie geschmiert, für das Gehen braucht er aber einen Stock – und die Feinmotorik der rechten Hand hat auch gelitten. Um die zu trainieren, hat er anfangs versucht, wieder Klavier zu spielen. „Irgendwann waren meine Nachbarn so verstimmt wie mein Klavier“, sagt er. Dann griff er wieder zu Bleistift und Pinsel – und begann, schwäbische Comics zu zeichnen. Als er hundert Comics, die in Stuttgart spielten, zusammenhatte, schickte er die Sammlung nach Gmünd – und kam mit dem Einhorn-Verlag ins Geschäft. Der Stuttgarter Band ist bereits erschienen, die „Schwabenteuer“ aus dem Ostalbkreis sind es ebenfalls, und Comics aus Tübingen und dem benachbarten Rems-Murr-Kreis sind bereits geplant.

Den Stoff dafür findet er überall. Die verlagsinternen Überlegungen in Schwäbisch Gmünd zu seiner Arbeit etwa hat auch ihren Platz im Comicband gefunden. „Saget se, Herr Schumacher, send se sicher, dass mir die Sache von dem Berger verlege sottet, obwohl er selber sagt, er wär bloß der zwoitbeschte Comiczeichner im Schwobaland?“, fragt da ein Verlagsmitarbeiter den Chef. „Ja – hättet mir d’r Erschtbeschte nemma solla?“, antwortet der.

„Der aufmerksamste Zeichner

Der Erstbeste will der Zeichner nicht sein. Aber der Aufmerksamste. „Ich habe immer einen Block in meiner Tasche“, sagt Berger. Darin notiert er, was er unterwegs aufschnappt. Denn um Schauplätze für seine knollennasigen Figuren zu finden, bereist er die Kreise, die er im Focus hat, kreuz und quer, und macht Fotos, um Vorlagen für seine Zeichnungen zu haben. Wer so viel Bus und Bahn fährt, bekommt jede Menge zu hören. Die Lehrerin etwa, die in der Stadtbahn einen Mann anspricht: „Sind sie nicht der Vater eines meiner Kinder?“ In der Realität hat der Herr die Frau als Lehrerin erkannt, im Comic sorgt das für ein peinliches Missverständnis.

„Ich möchte der Welt ein Lachen zurückgeben“, sagt der Künstler. Dabei war die schwierigste Lektion für Jo-Kurt Berger nach seinem Schlaganfall womöglich, sein Lachen zurückzubekommen. Dreieinhalb Jahre sei er in einer tiefen Depression gefangen gewesen. In der Reha traf er eine Frau, die an Multipler Sklerose erkrankt war – und die ihn ermahnte: „Schlimm ist nicht, was dir passiert ist. Schlimm ist, wie du damit umgehst.“

Berger nimmt die Tage, wie sie kommen. An schlechten plagen ihn Schmerzen, „dann bleibe ich halt im Bett“. Die guten genießt er dafür umso mehr – manchmal in buchstäblich vollen Zügen. Dann sitzt er in der Bahn und geht auf Entdeckungstour: „Die anderen haben ein Navi. Ich habe meine Augen.“ Im Ostalbkreis scheint der Stuttgarter angekommen zu sein: Er will nach Lorch ziehen, noch in diesem Jahr. Und endlich „frische Luft schnappen“.